Für die Energiewende muss der Netzbetreiber Netze BW sein Stromnetz im Südwesten deutlich umfangreicher ausbauen als bislang bekannt. Das geht aus einer internen Studie hervor. «Das Ziel Deutschlands, bis 2045 klimaneutral zu sein, stellt uns vor eine riesige Herausforderung. Ohne Maßnahmen wären perspektivisch etwa 65 Prozent unserer Hochspannungsleitungstrassen überlastet», sagte der zuständige Projektleiter von Netze BW, Fred Oechsle, am Donnerstag im Umspannwerk Pulverdingen (Landkreis Ludwigsburg). Das entspreche einer Länge von rund 3000 Kilometern.
Um die Ziele zu erreichen, muss Netze BW nach eigenen Angaben in den kommenden zwei Jahrzehnten nahezu alle seiner rund 300 Umspannwerke ertüchtigen. Darüber hinaus müssten 50 bis 100 neue Anlagen gebaut werden. Ähnlich sieht es demzufolge bei den lokalen Stromnetzen aus: «In den Städten und Gemeinden müssen wir einige Tausend Kilometer Leitungen neu legen und verkabeln», sagte Oechsle. Auch Tausende Trafohäuschen müssten verstärkt oder neu errichtet werden.
Der Investitionsdruck wird EnBW-Vorstand Dirk Güsewell zufolge in den kommenden Jahren dadurch weiter steigen: «Wir haben im letzten Jahr die Investitionen, die wir im Durchschnitt der Jahre zuvor hatten, verdoppelt. Und ich glaube, wir werden noch mal verdoppeln müssen.» 2022 hatte der Konzern rund 1,9 Milliarden Euro in systemkritische Infrastruktur investiert. Zwischen 2017 und 2019 lagen die jährlichen Investitionen durchschnittlich bei rund einer Milliarde Euro.
Netze BW ist mit einer Länge von insgesamt rund 95.000 Kilometern der größte Verteilnetzbetreiber Baden-Württemberg und der drittgrößte in Deutschland. Das Tochterunternehmen des Energiekonzerns EnBW betreibt laut einem Sprecher mehr als 90 Prozent der Hochspannungsleitungen und Umspannwerke im Südwesten.
Die Bundesrepublik soll bis 2045 klimaneutral werden, der Südwesten bis 2040. Dann sollen nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen als auch wieder gebunden werden können. Gelingen soll das vor allem durch eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien – etwa aus Wind, Sonne oder Wasserstoff. Aber auch die zunehmende Anzahl von Wärmepumpen und Ladepunkten für E-Autos belasten das Stromnetz.