'Ndrangheta-Mitglieder zu Hunderten Jahren Gefängnis verurteilt
Seit fast drei Jahren stellt ein kalabrisches Gericht in Italien mehr als 300 Mitgliedern der gefährlichsten und finanziell mächtigsten Mafia-Organisation der Welt den Prozess. Der Prozess zeigte, wie vernetzt die Mafia in der Gesellschaft ist. Ihre Strafe steht nun fest.
Am 7. Juni dieses Jahres beteiligte sich Staatsanwalt Nicola Gratteri an den Ermittlungen gegen 322 Personen in der kalabrischen Stadt Lamezia Terme. Oberster Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Anhänger. Die kalabrische Mafia 'Ndrangheta forderte insgesamt 4.700 Jahre Gefängnis. Gratri, kürzlich aus der kalabrischen Hauptstadt Catanzaro nach Neapel versetzt, ist zum Symbol des Kampfes gegen die 'Ndrangheta geworden, heute eine der mächtigsten kriminellen Organisationen der Welt. Dank ihm war dieser Prozess möglich. Er war der leitende Ermittler der Operation Resurrection Scott. Bei den Razzien vom 19. Dezember 2019 wurden 334 Personen festgenommen – auch in Deutschland und der Schweiz.
Fast vier Jahre nach dieser erfolgreichen Untersuchung und mehr als fünf Monate nach Gratlis Schuldeingeständnis ist nun das Urteil gefallen: Der Richter verhängte gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von Hunderten von Jahren. Die Verlesung des Urteils dauerte mehrere Stunden. Zwei Anführer der 'Ndrangheta erhielten die Höchststrafe, jeweils 30 Jahre Gefängnis. Auch ein ehemaliges Mitglied der Regierungspartei Forza Italia wurde verurteilt. Der konservative Politiker Giancarlo Petelli saß wegen seiner Verdienste um die Mafia elf Jahre im Gefängnis. Auch mehrere ehemalige Polizisten und andere korrupte Beamte wurden ins Gefängnis geschickt. Daher folgte das Gericht im Wesentlichen dem Antrag von Generalstaatsanwalt Grattri.
Dieser Prozess dauerte zweieinhalb Jahre. Die drei Richter berieten fast vier Wochen lang in strenger Isolation, bevor sie das Urteil verkündeten. Auch die Tatsache, dass die Richter allesamt Frauen sind, kann als wichtiger Mentalitätswandel gewertet werden. Die Anklage umfasst häufige Straftaten der organisierten Kriminalität: Drogenhandel, Geldwäsche, Erpressung, Kredithai, Korruption. Neben diesen Verbrechen spielen in diesem Prozess auch die tiefe Verwurzelung der Mafia-Organisationen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Gratri betonte in vielen Interviews, dass die Macht der Mafia und insbesondere der 'Ndrangheta vor allem auf Beziehungen und Netzwerken beruhte. Das ist ihr wichtigstes Kapital. Nur so können sie „Niederlassungen“ in 40 Ländern der Welt gründen.
Das 'Ndrangheta-Patent
Das Funktionsprinzip ist in der Operation „Rinascita Scott“ zu sehen. Im Mittelpunkt der Operation stand die Familie Mancuso, die in der kalabrischen Stadt Vibo Valentia die Macht ausübte. Zu den im Jahr 2019 verhafteten Stammesmitgliedern gehörten Anwälte, lokale und regionale Politiker, Polizisten, Gendarmen, Finanzpolizisten, Unternehmer, Freimaurer und Ärzte. Die meisten von ihnen waren bis zu ihrer Festnahme unschuldige Bürger. Dieses soziale Netzwerkmodell ist zum „Patent der Ndrangheta“ geworden.
Das nun verkündete Urteil wird mit Spannung erwartet. Einerseits erklärten die Medien aufgrund der großen Zahl der Angeklagten diesen Prozess zum ersten Obersten Prozess in der Geschichte der Mafia. Zum anderen, weil erstmals Mitglieder der 'Ndrangheta bereit waren, gegen die Organisation auszusagen.
Jetzt, im Jahr 1986, fanden die höchsten Prozesse gegen Mitglieder der italienischen Mafia statt. „Maxiprocesso di Palermo“ startete im Februar 1986. Damals saßen 475 Mitglieder und Anhänger der sizilianischen Partei Cosa Nostra auf der Anklagebank. Die Prozesse endeten im Februar 1992. 346 Personen wurden verurteilt und zu insgesamt 2.265 Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist den beiden Untersuchungsrichtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zu verdanken. Allerdings währte die Genugtuung des Urteils nur von kurzer Dauer, denn es folgten tragische Folgen, die ganz Italien schockierten: Im selben Jahr wurden die beiden Ermittlungsrichter Falcone und July Borsellino beide Mafia-Mitglieder. Explosiver Angriff.
Die schmerzhafte Wahrheit
Aber es wäre falsch, den aktuellen Prozess gegen die 'Ndrangheta mit dem in Palermo zu vergleichen, sagte Anna Sergi, Professorin für Kriminologie an der Universität. Sergi ) sagte. Universität Essex, Großbritannien. „Der Maxi-Prozess in Palermo führte zu einem Paradigmenwechsel. Davor war es schwierig, Cosa Nostra als einheitliche kriminelle Organisation mit einer klaren Struktur zu definieren und zu beschreiben. Danach war das nicht mehr der Fall“, sagte sie gegenüber ntv.de
Laut Serge ist die aktuelle Situation in den 'Ndrangheta-Prozessen anders. Dass es sich bei der Organisation um eine Mafia-Organisation handelt, ist nicht erst seit Beginn der Verhandlungen im Jahr 2021 bekannt. Zu diesem Ergebnis kam bereits der „Infinito“-Prozess 2011. Die Tatsache, dass es in Mailand geschah, widerspricht früheren gültigen Behauptungen, dass Norditalien nicht von der Mafia-Plage betroffen war. Das ist vor allem für Politiker eine schmerzliche Erkenntnis. Auch im „Infinito“-Prozess stehen mehr als 300 Angeklagte vor Gericht.
Das heutige Urteil ist ein schwerer Schlag für die kalabrische Mafia. Aber was noch wichtiger ist: In Kalabrien wächst der Widerstand gegen eine kriminelle Organisation, die inzwischen in vielen Ländern Netzwerke aufgebaut hat. Die Verhaftungen im Jahr 2019 waren ein Wendepunkt. Damals, im Dezember 2019, gingen viele Bewohner von Vibo Valentia auf die Straße und erklärten den Aufstand gegen die 'Ndrangheta.
Quelle: www.ntv.de