Nach dem Schuldspruch für die Studentin Lina E. und Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei ist die Nacht in Leipzig weitgehend ruhig geblieben. Im Stadtteil Connewitz brannten ein Glascontainer und ein Auto. Ein Zusammenhang zum Demonstrationsgeschehen könne nicht ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag. Drei Tatverdächtige – eine 34-jährige Frau und zwei 28 und 26 Jahre alte Männer – seien vorläufig festgenommen worden. Solidaritätskundgebungen für Lina E. hatte es unter anderem auch in Berlin, Hamburg und Dresden gegeben.
Die Studentin war am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Dresden sprach die aus Kassel stammende 28-Jährige wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig. Drei mitangeklagte Männer erhielten Strafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Der Generalbundesanwalt warf der Gruppe vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Neonazis in Leipzig, Eisenach und in der Ortschaft Wurzen brutal zusammengeschlagen zu haben.
Der Haftbefehl gegen Lina E. wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig ist – das Gericht ließ Revision zu.
Das Gericht blieb mit dem verhängten Strafmaß unter den Anträgen der Bundesanwaltschaft, die den Angeklagten eine «militant-linksextremistische Ideologie» bescheinigt hatte. Sie hatte acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert.
Strafmildernd wirkte bei Lina E. nicht nur der Umstand, dass sie nicht vorbestraft ist und seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats sah bei ihr auch die Persönlichkeitsrechte durch die mediale Berichterstattung verletzt und sprach von einer Vorverurteilung. Diese Gründe spielten neben einer Rheuma-Erkrankung auch dabei eine Rolle, dass Lina E. vorerst frei kommt. Allerdings räumte das Gericht der 28-Jährigen eine hervorgehobene Bedeutung in der Gruppierung ein, jedoch «keine prägende im Sinne einer Rädelsführerschaft».
In Leipzig hatten laut Polizei am Mittwochabend rund 800 Menschen an einer Demonstration teilgenommen. Die angezeigte Teilnehmerzahl von 150 sei damit «eklatant überschritten» worden. Ein geplanter Aufzug sei von der Versammlungsbehörde untersagt und nur eine stationäre Versammlung zugelassen worden. Gründe seien unter anderem das vermummte und teils militante Erscheinungsbild der Demonstrierenden gewesen, die auch «Schutzbewaffnung» wie etwa spezielle Handschuhe mitgeführt hätten.
Nach der Versammlung hätten die Teilnehmer versucht, die Absperrungen der Polizei zu durchbrechen. Es seien Flaschen, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Auch gab es laut Polizei Fälle von Körperverletzung. Ein stark betrunkener Radfahrer gab an, von fünf schwarz gekleideten Personen angegriffen worden zu sein. Der Mann sei leicht verletzt worden. Den Versuch, Barrikaden zu errichten, hätten die Beamten durch schnelles Einschreiten unterbunden.
Der Pilot eines Polizeihubschraubers sei mit einem grünen Laser-Pointer geblendet worden. Er habe daraufhin abdrehen müssen. Es werde wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr ermittelt. Vier Beamte seien durch geworfene Gegenstände leicht verletzt worden. Die Polizei nahm mehrere Straftaten auf. Zwei mutmaßliche Steinewerfer im Alter von 32 und 31 Jahren seien gestellt worden. Sie kamen später wieder auf freien Fuß. Gegen Mitternacht habe sich die Situation beruhigt.
Für Samstag ruft die linksradikale Szene überregional zur Teilnahme an einem großen «Tag X» in Leipzig auf. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet einen Großeinsatz vor.