Ein Jahr nach der Veröffentlichung einer Studie zu sexueller Gewalt in der katholischen Erzdiözese München und Freising fordert der Experte Ulrich Wastl ein staatliches Eingreifen – und erhebt Anklage gegen den persönlichen Sekretär des Papstes, Georg Gänswein. „Der Staat soll jetzt eingreifen“, sagte ein Anwalt der Kanzlei Süddeutsche Zeitung Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Er will, “dass Staat und Politik den Druck auf die Kirche erhöhen, deutlich zu machen, was nicht akzeptabel und was notwendig ist”. Die im Januar 2022 vorgestellte Studie ging von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus – und vielen weiteren Dunkelziffern.
Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, die in der Silvesternacht verstorbenen Papst Benedikt XVI. wurde in dem Bericht in mehreren Fällen persönliches Fehlverhalten vorgeworfen – ebenso wie dem heutigen Kardinal Reinhard Marx.
Wastls Fazit zum Umgang mit dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche: “Die Kirche muss vom Staat kommen.”
Wastl war besonders hart gegenüber Benedikt, der in dieser Zeit starb. Seine Kommentare zu dem Bericht zeigten “äußerste Abwehrhaltung”. „Das ist des Papstes unwürdig. Diese Aussage kommt einem Beratungsdesaster gleich“, sagte Wastl der SZ.
Benedikts langjährigem Privatsekretär Georg Gänswein warf er vor, Einfluss auf das Erzbistum München zu nehmen, das die Studie in Auftrag gegeben hatte: “Wir haben zumindest Hinweise darauf, dass er versucht, unsere Mandanten durch direkte Kontakte zu beeinflussen.” Das sagte Wastl der Zeitung. Auch seine Kanzlei hörte von Gänswein: “Herr Gänswein hat schon sehr früh versucht, uns wieder dorthin zu bringen, wo wir waren. Er hat uns einen langen Brief geschrieben, in dem er uns angewiesen hat, mitzureden.” Vier äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen fragte.
Kardinal Marx habe sich auch als “überaus negativ” erwiesen, sagte Wastl. So kritisierte er Marx dafür, dass er nicht dabei war, als das Kanzleramt die Studie vor einem Jahr dem Bistum vorstellte.