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Milliarden gestohlen: Justiz geht mit Cum-Ex-Skandal um

Hanno Berger
Hanno Berger (r), Architekt der Cum-Ex-Aktiengeschäfte, kommt zur Urteilsverkündung in den Bonner Gerichtssaal.

Weitere Finanzinstitute ins Visier von Razzien wegen Cum-Ex-Geschäften, erste Banker inhaftiert: Untersuchung in Milliarden-Dollar-Steuerskandal im Gange Mitte. Die Justiz hat noch viel zu tun. Mit mehr als 1.500 Verdächtigen, mehr als 100 Fällen und etwa 130 Banken ist der Komplex enorm. Bisher wurden nur wenige Urteile gefällt. Ein Überblick über den Cum-Ex-Skandal und was im neuen Jahr ansteht.

Tipp

Banken nutzen Cum-Ex-Transaktionen, die zwischen 2006 und 2011 ihren Höhepunkt erreichten, andere Stakeholder-Schlupflöcher. Rund um den Dividendentermin verpacken und verkaufen sie Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenberechtigung hin und her. Letztendlich wissen die Steuerbehörden nicht, wem die Dokumente gehören. Bescheinigung über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag mehrfach ausgestellt – Finanzamt hat nicht gezahlte Steuern erstattet. „Fast alle deutschen Großbanken sind in den Cum-Ex-Skandal verwickelt“, sagte Gerhard Schick, Vorstandsmitglied der Bürgerbewegung Finanzwende Depotbank. 2021 stufte ein Bundesgericht Cum-Ex-Geschäfte ausdrücklich als Steuerhinterziehung ein. Kritiker sagen, der Staat habe das Geschäft zu lange geduldet. „Diese Deals sind gestoppt, wir sind in unserem elften Jahr, und obwohl es mehr als 1.500 Verdächtige gibt, ist die Zahl der Angeklagten nur wenige“, sagte Schick.

Dutzende Ein Steuerverlust von 100 Millionen Euro

Nach Schätzungen der deutschen Steuerbehörden sind mindestens 10 Milliarden Euro verloren gegangen. Rechnet man damit zusammenhängende Finanzmarktgeschäfte wie Cum-Cum und ähnliche Transaktionen hinzu, ergibt sich ein Schaden von rund 36 Milliarden Euro, so der Mannheimer BWL-Professor Christoph Spengel.

Der Staat hat nur einen Teil davon wieder eingeführt: 3,1 Milliarden Euro Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag seien zurückgefordert oder entsprechende Erstattungsansprüche zurückgewiesen worden, hieß es in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom Oktober. „Die Erfolgsquote, gemessen an entgangenen Steuereinnahmen, ist sehr gering“, sagte Spengel.

Durchsuchungen – Bank um Bank im Visier

Spürnasen und Steuerfahnder überfielen immer wieder die Banken. Die Staatsanwaltschaft Köln hat kürzlich Anklage gegen die US-Banken Merrill Lynch, J.P. Morgan und Morgan Stanley, die britische Bank Barclays, die schwedische SEB und die Frankfurter Dekabank erhoben.

Die Deutsche Bank wurde ebenfalls ins Visier genommen. Schick sagte, die Durchsuchung habe gezeigt, dass die Justiz unabhängig von der Nationalität ermittelt. Er rechnet damit, dass sich die Aufarbeitung des Skandals im Jahr 2023 beschleunigen wird. „Der BGH hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt, was die Macht der Staatsanwaltschaft stärkt.“

Viele Angeklagte, wenige Urteile

Deutsche Gerichte erließen nur wenige Urteile, darunter gegen zwei verurteilte britische Aktienhändler und ehemalige Mitarbeiter der Hypovereinsbank und Privatbank M.M. Warburg. Auch die ehemaligen Manager der insolventen Mapletree Bank, darunter der Deutschland-Chef, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und mussten Summen von insgesamt mehr als zehn Millionen Euro aus ihrem Vermögen zurückzahlen. „Bisherige Urteile sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Spengel. Das Strafverfahren ist zwar auf dem richtigen Weg. “Aber es gibt keinen wirklich großen Namen wie die Deutsche Bank.”

Aufgrund der Komplexität der Dinge, Verarbeitungsverzögerungen und knappen Ressourcen gibt es nur wenige Urteile. „Die Kapazität der Ermittler ist noch zu gering“, sagte Spengel. Für die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Köln habe sich die Situation verbessert, sagte Schick. Er erwähnte ein neues Prozessgebäude in Siegburg, das für die Abwicklung des zu erwartenden hohen Strafverfahrensaufkommens am Landgericht Bonn errichtet wird.

Hanno Berger – Schlüsselfigur und Architekt des Deals

Der ehemalige Finanzbeamte des Landes Hessen gilt als wichtigster Kopf des Skandals. Als Steueranwalt hat er Aktiengeschäfte mit Banken und vermögenden Privatpersonen als legale und sichere Steueroptimierung angepriesen, bei der Strukturierung von Geschäften beraten und dabei Millionen verdient.

Als die Justiz 2012 Bergers Anwaltskanzlei in Frankfurt durchsuchte, floh er in die Schweiz. Eine Auslieferung an Deutschland lehnte Berger bis zuletzt ab – ohne Erfolg: Im Februar 2022 wurde Berger von der Schweizer Polizei übergeben. Im Dezember verurteilte das Landgericht Bonn Berger zu acht Jahren Haft.

Was weiß Olaf Scholz?

Der Cum-Ex-Skandal schwappt auf die Politik über – bis ganz nach oben: Es geht um Vorwürfe, führende SPD-Politiker hätten Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Hamburger Warburg Bank genommen. Hintergrund war ein Treffen zwischen dem damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und den Miteigentümern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, das die Verjährung in Kraft setzte, wie Zeugen aussagten. Ein Jahr später wurden weitere 43 Millionen Euro zu Unrecht erstattete Kapitalertragsteuer erst auf Anordnung des Bundesfinanzministeriums zurückgefordert. Spengel kritisiert: „Bis 2016 hätte die Politik Einfluss auf die Finanzverwaltung nehmen können, wenn es um die steuerliche Behandlung von Cum-Ex ging.“

Bei der Anhörung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, Scholz bestritten, irgendeinen Bezug zum Fall Warburg zu haben. Bei Gesprächen mit O’Reillys und Warburg verwies Schulz auf die Lücken in seiner Erinnerung. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelte nicht gegen Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Es bestehe zunächst kein Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Die EU will Scholz im Bundestag erneut zu Cum-Ex befragen.

Cum-Cum-Geschäfte – Der große Bruder von Cum-Ex

Cum-Cum-Geschäfte werden von ausländischen Investoren abgeschlossen, deren Beteiligungen kurz vor dem Dividendenrekord an inländische Aktionäre wie Banken übertragen werden Datum. Sie können auf die Kapitalertragsteuer angerechnet oder erstattet werden. Die Anteile werden dann zusammen mit den Dividenden zurückgegeben und die Steuerersparnisse geteilt.

Die Ermittlungen hier sind weitaus weniger fortgeschritten als der Cum-Ex-Skandal, aber viel größer, sagte Schick. „Diese Deals waren auch bei Sparkassen und öffentlichen Banken üblich und dauerten bis 2016.“ Schick forderte, dass die Entsorgung von Sperma noch in diesem Jahr ein größeres Thema werden müsse. „Bisher fehlt es an politischem Willen, Gewinne aus Fusionsdeals wieder hereinzuholen“, kritisierte er.

Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, das Steuerschlupfloch rückwirkend zum 1. Januar 2016 zu schließen Die Verluste sind immer noch enorm: Im Fall von Cum-Cum hat die Bundesregierung im Oktober erklärt, sie habe 2.7,8 Milliarden Euro Kapitalertragsteuer oder nicht mit der Steuerschuld verrechnen.

Cum-Ex-Prozess kommt – wer kommt vor Gericht?

Das Landgericht Wiesbaden steht wegen weiterer Cum-Ex-Geschäfte vor Gericht gegen Hanno Berger. Schick rechnet damit, dass Warburgs Partner Olearius noch in diesem Jahr vor dem Landgericht Bonn erscheinen muss. Die Staatsanwaltschaft Köln hat Anklage wegen mutmaßlich schwerer Steuerhinterziehung erhoben. Olearius bestreitet die Vorwürfe.

Das Landgericht Frankfurt steht außerdem vor Gericht gegen zwei ehemalige Steueranwälte der Großkanzlei Freshfields, darunter ein ehemaliger globaler Steuerberater. Die Anwälte sollen den Cum-Ex-Deal mit höflichen Berichten untermauert haben. Erstmals würden Steueranwälte vor Gericht ziehen – eine ganz neue Dimension des Skandals. Andere mutmaßliche Banker des Cum-Ex-Komplexes sind ins Ausland geflüchtet. Eines ist Schick klar: „Wir kriegen nicht alle.“

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