Seit Jahren tobt ein Bürgerkrieg, in dem bewaffnete Gruppen um Einfluss wetteifern. Zwei Regierungen wetteifern um die Macht. Lange aufgeschobene Infrastrukturmaßnahmen wie die Erneuerung von Dämmen und Brücken.
In Libyen, Nordafrika, herrschten bereits vor der Überschwemmung schwierige Bedingungen, sodass Teile des Landes, wie beispielsweise die Hafenstadt Darna, besonders anfällig für Sturm Daniel waren. Mehr als 5.000 Menschen sind nach Angaben der Regierung im Osten Libyens gestorben, und die Zahl der Todesopfer dürfte noch deutlich steigen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer kontrolliert Libyen?
Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi im Jahr 2011 kam es in dem Wüstenland zu zivilen Ausschreitungen. Obwohl die Kämpfe nachgelassen haben, wetteifern politische, bewaffnete und Stammesgruppen weiterhin um Einfluss.
Heute ist das Land faktisch zweigeteilt. Premierminister Osama Hamad leitet die Regierung in der Ostregion, wo der Sturm besonders verheerende Schäden verursacht hat. Als Regierungschef ist er jedoch international nicht anerkannt. Darüber hinaus verfügen General Khalifa Haftar und seine selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) über erheblichen Einfluss im Osten. Premierminister Abdul Hamid Dbeibah hat seinen Sitz in Tripolis im Westen. Auch andere Länder wie die Türkei, Russland und Ägypten sind in den Konflikt verwickelt.
Welche Auswirkungen hatte die Sezession auf die Situation im Land?
Schon vor dem Sturm lebten in Libyen laut UN-Angaben rund 820.000 Menschen, die humanitäre Hilfe benötigten, darunter 24.000 Kinder. Da das Land und seine staatlichen Institutionen fragmentiert sind, sind öffentliche Versorgung wie Wasser, Sanitäranlagen und Strom sowie Bildung und Gesundheitsversorgung knapp.
Investitionen in Infrastruktur wie Straßen und Brücken werden seit Jahren verzögert – obwohl die Einnahmen aus dem Ölgeschäft eigentlich hoch sind. Das Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) schrieb in seinem Hilfsplan 2022, dass das Fehlen eines Staatshaushalts die Fortschritte bei wesentlichen Dienstleistungen „ernsthaft gestört“ habe.
Was bedeutet diese Situation für die Opfer der Flut?
Aufgrund der sektoralen Aufteilung gibt es derzeit keine zentrale Stelle, die die Hilfe bei aktuellen Katastrophen koordiniert. „Es gibt keine zentrale Verwaltung, die die Teams verwaltet, Hilfe annimmt und Freiwillige organisiert. Alles ist chaotisch und willkürlich“, sagte der libysche Journalist Mohammed Gurdsch.
Es fehlen genaue Informationen über die Art und das Ausmaß des Schadens sowie darüber, welche Hilfe die Opfer vor Ort benötigen. Dies ist auch der Grund, warum es für andere Länder und internationale Hilfsorganisationen schwierig ist, entsprechende Hilfsteams oder Hilfsgüter nach Libyen zu schicken.
Ist die Ostregierung bereit, Hilfe anzunehmen?
Das ist schwer zu beurteilen. Natürlich wird der Osten streng von lokalen Sicherheitsdiensten kontrolliert. Zunächst durften nur Vertreter lokaler Medien, die Haftar unterstützten, nach Darna reisen, sagte Mohammad Gudchi. Journalisten von Anti-Haftar-Medien wurde der Zutritt verweigert.
Haftar ist im Osten mächtig, wo er und seine Libysche Nationalarmee (LNA) Häfen, Flughäfen und Straßen kontrollieren. Eventuell müssen auch Einsatzkräfte und Hilfsgüter mit ihnen abgestimmt werden.
Hilfslieferungen sind also auch Libyens politische Waffen?
Wolfram Lacher, ein Libyen-Experte an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technologie, ist darüber auch besorgt. Die Technologiestiftung Politik (SWP) wurde vom deutschen Fernsehsender Journal Heute interviewt. Ratcher sagte, alle Konfliktparteien spielten seit Jahren ein „sehr zynisches Spiel“ und „profitierten von der Krise“. Nun ist damit zu rechnen. Die Schwere der Katastrophe „hänge eng mit der politischen Lage in Libyen zusammen“.