Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen sich nach einer Ankündigung der Landesregierung auf deutlich steigende Flüchtlingszahlen einstellen. Gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden hat das NRW-Familienministerium eine vorzeitige Zuweisung von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen angekündigt, wie ein Sprecher am Mittwoch bestätigte.
Der Städte- und Gemeindebund NRW spricht in einem Rundschreiben an seine Mitglieder von einer sich zuspitzenden Lage. Er fordert darin erneut einen zügigen Ausbau der Landeseinrichtungen, der aber stocke. Zudem mahnt er deutliche Verbesserung in der Flüchtlingsfinanzierung an. Die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» und die «Rheinische Post» hatten über die vorzeitigen Zuweisungen an die Kommunen berichtet.
In den zentralen Unterbringungseinrichtungen und den Notunterkünften des Landes beträgt die Aufenthaltsdauer laut Familienministerium bislang in der Regel zwischen drei und 16 Monaten. In Einzelfällen könnten es auch bis zu 24 Monate sein, Familien werden innerhalb von 6 Monaten zugewiesen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes dauere der Aufenthalt in der Regel nur wenige Tage. Die Kommunen gehen nun davon, dass Geflüchtete ihnen schneller zugewiesen werden und sie weniger Vorlaufzeit haben.
Die FDP-Landtagsfraktion fordert von der Landesregierung einen Notfallplan und Sofortmaßnahmen. «Die Kommunen in NRW sind mit ihren Finanzmitteln und ihrem Platzangebot in Unterkünften, Kitas und Schulen an ihrer Leistungsgrenze angelangt», erklärte Fraktionschef Henning Höne. Alles, was möglich sei, müsse jetzt aktiviert werden. Er sprach von einem Offenbarungseid der schwarz-grünen Koalition.
Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist die Ankündigung der Landesregierung eine Bankrotterklärung. «Chaos in den Planungen, mangelnde Kommunikation und fehlende Wertschätzung gegenüber den Kommunen und auch den Bürgerinnen und Bürgern sind Ausdruck eines eindeutigen Managementversagens», sagte Vize-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat. Sie warf Familienministerin Josefine Paul (Grüne) vor, Warnungen überhört zu haben, die es schon lange gebe.
Das NRW-Familienministerium betonte, es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Kapazitäten im Landesunterbringungssystem zur Entlastung der Kommunen zu erhöhen. In diesem Jahr hätten bereits Notunterkünfte in Herne, Bielefeld, Marmagen und Leverkusen sowie eine zentrale Unterbringungseinrichtung in Mülheim ihren Betrieb aufgenommen. Aufgrund auslaufender und nicht verlängerbarer Mietverträge hätten aber auch Unterkünfte schließen müssen.