Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dringt wegen möglicher neuer Engpässe bei Kindermedikamenten in der nahenden Erkältungssaison auf verstärkte Vorsorge. Im kommenden Herbst und Winter könnte für wichtige Antibiotika und weitere relevante Mittel «eine angespannte Versorgungssituation» entstehen, schrieb er in einem Brief an den Verband des Pharmagroßhandels.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlichte eine «Dringlichkeitsliste» mit gut 30 Kinderpräparaten, die höchste Priorität haben. Lauterbach bat, deren Beschaffung zu intensivieren.
Pharmabranche um Einschätzungen gebeten
Auf der Liste stehen unter anderem mehrere Antibiotika, Nasentropfen, fiebersenkende und schmerzlindernde Säfte und Zäpfchen. Lauterbach bat die Pharmabranche um Einschätzungen zu verfügbaren Mengen und den Bereitstellungskosten «für die dringliche Beschaffung und Bevorratung bis zum Beginn der Infektionssaison». Sofern dem Großhandel für die Umsetzung dieser «außerordentlich dringlichen Maßnahme» Zusatzkosten entstehen, werde das Ministerium auch eine Gegenfinanzierung prüfen. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zuerst berichtete die Mediengruppe Bayern darüber.
Um Medikamente vor allem für Kinder zuverlässiger abzusichern, war im Juli bereits ein Gesetz beschlossen worden. Als Sicherheitspuffer macht es Vorräte von mehreren Monatsmengen für vielgenutzte Mittel zur Pflicht. Preisregeln sollen gelockert werden, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Das Gesetz brauche aber Zeit, um zu wirken, sagte Lauterbach der Mediengruppe Bayern. Um kurzfristig vorzubeugen, solle der Großhandel wichtige Mittel schon jetzt bevorraten. «In dieser Erkältungs- und Grippesaison sollen besorgte Eltern nicht erneut vor leeren Apothekenregalen stehen.»
Fieber- und Hustensäfte waren knapp
Im vergangenen Winter waren nach einer Infektwelle Lieferprobleme etwa bei Fieber- und Hustensäften für Kinder eskaliert. Kürzlich hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gewarnt, dass bei erneuten hohen Infektionswellen wie im vergangenen Jahr wieder Lieferschwierigkeiten zu befürchten seien. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels erklärte Anfang August, die Unternehmen täten ihr Möglichstes, die gesetzlich vorgesehene Bevorratungstiefe zügig zu erreichen. Grundsätzlich gelte, dass der Großhandel Arzneimittel nur in dem Umfang beschaffen und bevorraten könne, wie sie die Pharmaindustrie zur Verfügung stelle.
Lauterbach kündigte an, dass sein Ministerium auch formell einen Versorgungsmangel für die Medikamente der Dringlichkeitsliste feststellen und bekanntmachen wolle. Dies ermöglicht flexiblere Vorgaben und etwa einen vereinfachten Import knapper Medikamente.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek begrüßte das Schreiben an den Pharma-Großhandel, das aber nicht ausreiche. «Der Herbst steht vor der Tür und damit die Erkältungs- und Grippesaison», sagte der CSU-Politiker. Er forderte erneut einen baldigen Krisengipfel der Bundesregierung angesichts weiter ungelöster Lieferengpässe.