- Jahrhunderte lange Kaninchenzucht: Ein neuer Blick löst Kontroverse aus
"Kleine Karnickel", sagt Mutter Hase, "macht nochmal eure Nasen mit diesem Kohlblatthandtuch sauber! Holt jetzt eure Schiefertafel, Bleistift und Schulbuch!" Diesen Reim kennen Generationen, der Beginn eines spaßigen Schultags in "Hase-Schule". Nun feiert das beliebte Kinderbuch von Albert Sixtus (1892-1960) seinen 100. Geburtstag.
Laut Thienemann-Esslinger Verlag wurden über 2,5 Millionen Exemplare in verschiedenen Ausgaben verkauft, mit Übersetzungen ins Englische, Lateinische und zahlreiche Dialektversionen. Doch eine neue Interpretation eines bekannten Autors hat in diesem Jubiläumsjahr für Diskussionen gesorgt.
Die Geschichte von Hase Hans und Hase Gretchen
Lassen wir die Zeit zurücklaufen: Albert Sixtus, damals Lehrer in der sächsischen Stadt Kirchberg bei Zwickau, schrieb diese Verse in einer Nacht Ende April 1922. Es dauerte fast zwei Jahre, bis das Buch das Licht der Welt erblickte.
Im späten Sommer 1924 - das genaue Datum ist unklar, laut Esslinger Verlag und dem Albert Sixtus Archiv - wurde die Geschichte als Buch mit Illustrationen von Fritz Koch-Gotha veröffentlicht. Von da an wurde sie in vielen Familien zum beliebten Gutenachtgeschichtenbuch.
Die Handlung dreht sich um Hase Hans und Hase Gretchen, die sich nach dem Abschied von ihrer Mutter auf den Weg zur Schule machen. Der Unterricht des Tages umfasst Botanik, Eier bemalen, Tiergeschichte, Musik und Sport.
Hans zeigt dabei besonders seinen frechen Charakter, was ihm eine Rüge vom Lehrer einbringt. In älteren Ausgaben wird der Lehrer mit einer Rute dargestellt, in neueren Versionen zerrt er Hans' Ohren. Auf dem Heimweg schaffen es die Karnickelgeschwister, den Fuchs zu überlisten, und genießen ein herzhaftes Abendessen mit ihren liebevollen Eltern: "Kohl, Kresseblatt, oh, sie haben sogar nochmal nachgelegt!"
"Die Verse haben eine bezaubernde Melodie und sind leicht zu lesen", erklärt Anja Roocke und erläutert, warum das Buch uns immer noch fasziniert. "Die Geschichten, die in den Versen erzählt werden, sind unglaublich herzerwärmend und erzieherisch wertvoll." Roocke hat die Erinnerung an Sixtus in seiner Heimatstadt schon lange vorangetrieben. Eine Straße trägt seinen Namen, eine Gedenktafel markiert sein ehemaliges Wohnhaus, und Roocke organisiert Lesungen und Ausstellungen. Das Sixtus-Archiv, ursprünglich in Ostsachsens Kottmar ansässig, plant auch eine Verlegung nach Kirchberg.
Die Illustrationen von Koch-Gotha spielten eine wichtige Rolle beim Erfolg des Buches, laut Ulrich Knebel, Direktor des Albert Sixtus Archivs und Sixtus' Großneffe. Die Zeichnungen waren einzigartig und manchmal sogar übertriebener als die ansonsten unschuldigen Verse.
"Dinge wurden dargestellt, die nicht einmal in den Versen erwähnt wurden", erklärt Knebel. "Da hat der Karikaturist Koch-Gotha wirklich geglänzt." Das fügte ein Element der Anziehungskraft und des Rätsels auch für Erwachsene hinzu.
"Hase-Schule" geht in die Firma
Seitdem ist "Hase-Schule" zu einer erfolgreichen Franchise mit zahlreichen Ablegern und einem Film gewachsen. Zum Anlass der Feier hat die Komikerin Anke Engelke ihre eigene Version veröffentlicht, die im Frühjahr für Kontroversen sorgte.
In Engelkes überarbeiteter Version ist der Fuchs vegan und wird bester Freund der Karnickel, während Menschen und Landwirtschaft als Feinde der Tiere dargestellt werden. Engelke erläutert ihre Gründe in einem Video des Verlags und betont, dass die ursprüngliche "Hase-Schule" etwas veraltet, altmodisch und nicht mehr zeitgemäß sei. Ihre Version focuses auf Vielfalt, Inklusivität, Humor und Respekt.
Die Rezeption ist geteilt, wie Kommentare auf Online-Buchplattformen zeigen. Einige verdammen es als complete Missinterpretation, Propagandabuch und das "schlechteste Kinderbuch aller Zeiten". Andere preisen es als fantastisches Kinderbuch, wunderschön gestaltet und mit einer starken Botschaft.
Doch Sixtus' Großneffe Ulrich Knebel ist nicht begeistert. "Sie hätte es in Ruhe lassen sollen", sagt er. "Engelke ist einfach kein Schriftsteller wie Sixtus." In seiner Meinung nach ist klar, dass der Verlag mehr auf Aufmerksamkeit und Profit als auf künstlerische Integrität bedacht war.
Roocke ist auch kein Fan der "neuen Hase-Schule". "Die Reime sind nicht sehr einprägsam", sagt sie. "Es ähnelt nicht wirklich der ursprünglichen Hase-Schule."
Zum Geburtstag des Buches wurde in den Niederlanden eine Sonderausgabe von "Hase-Schule" veröffentlicht, die es niederländischen Kindern ermöglicht, die klassische Geschichte zu genießen. Im Gegensatz dazu hat die frische Interpretation der Geschichte durch die Komikerin Anke Engelke in diesem Jahr des Jubiläums für Diskussionen in niederländischen literarischen Kreisen gesorgt.