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Indigenen-Rechte: Historisches Referendum spaltet Australien

Historisches Referendum spaltet Australien
«Vote Yes!»-Wahlkämpfer in Brisbane wollen einen «Platz am Tisch» bekommen.

Hunderte Menschen ziehen mit australischen Flaggen durch die Straßen von Melbourne und tragen Plakate mit der Aufschrift «Vote No!». In Brisbane wird hingegen «Vote Yes!» skandiert, während Demonstranten die schwarz-rot-gelbe Flagge der Aborigines schwenken.

Solche Szenen sind beispielhaft für die tiefe Kluft, die Australiens Gesellschaft durchzieht. Seit langem hat keine Frage das Land mehr so beschäftigt und gespalten wie jene, ob die indigene Bevölkerung eine eigene, in der Verfassung verankerte Stimme im Parlament bekommen soll. Am Samstag wird per Referendum abgestimmt – es ist die erste Volksabstimmung in Down Under seit 24 Jahren.

Viele glauben, dass ein solcher Schritt die Gräben zwischen den Ureinwohnern und den weißen Australiern noch vertiefen würde. Was auf den ersten Blick verwundert: Auch indigene Bürger sind unter den Gegnern. Sie argumentieren, dass das Vorhaben nicht weit genug gehe und keine echte Veränderung bringen würde. Ein Befürworter der «Yes»-Kampagne sagt aber: «Wir müssen das Richtige tun für einen Teil der Gesellschaft, der seit über 200 Jahren schlecht behandelt wird.»

«Platz am Tisch bekommen»

Im Kern geht es bei der Abstimmung um die Einrichtung eines Gremiums Indigener, das die australische Regierung und das Parlament in Fragen berät, die die Aborigines direkt betreffen. «Der entscheidende Punkt ist, dass wir einen Platz am Tisch bekommen», sagte Megan Davis der Deutschen Presse-Agentur. Die Professorin für Verfassungsrecht ist eine der indigenen Architektinnen von «The Voice».

Knapp 18 Millionen wahlberechtigte Australier sind zu den Urnen gerufen, darunter 530.000 Indigene. Um die Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, braucht es eine doppelte Mehrheit: Nicht nur müssen mehr als die Hälfte aller Wähler mit «Ja» stimmen, auch die Mehrheit der sechs Bundesstaaten muss dafür sein. Die beiden Territorien Northern Territory und Australian Capital Territory werden bei dieser Rechnung nicht mitgezählt.

Erklärtes Ziel der Regierung von Labor-Chef Anthony Albanese ist es, die Lebensrealität der Ureinwohner zu verbessern. Die Aborigines gelten als die älteste noch bestehende Kultur weltweit und bevölkern den Kontinent seit mehr als 65.000 Jahren. Doch bis heute leiden sie unter Ausgrenzung, sozialer Benachteiligung und den Nachwehen der Kolonisierung durch europäische Siedler.

Seit 1788 unterdrückt und diskriminiert

Ein Rückblick: Mit der Ankunft der britischen «First Fleet» (Erste Flotte) in Sydney Cove 1788 begann für die Aborigines eine Zeit der Unterdrückung und Diskriminierung. Sie wurden vertrieben, gejagt und getötet – oder starben an aus Europa eingeschleppten Krankheiten. In der 1901 verabschiedeten Verfassung werden sie nicht einmal erwähnt. Erst 1967 wurden ihnen überhaupt Bürgerrechte eingeräumt.

Bis in die 1970er Jahre wurden zudem indigene Kinder ihren Familien entrissen, um in christlichen Einrichtungen oder bei weißen Familien «umerzogen» zu werden. Die Opfer dieser damals völlig legitimen Praxis werden heute als «Stolen Generation» bezeichnet. Erst 2008 entschuldigte sich die Regierung unter dem damaligen Premier Kevin Rudd für das Leid, das den Menschen angetan wurde.

Im selben Jahr wurden unter dem Namen «Closing the Gap» (Die Lücke schließen) Ziele definiert, mit denen die Ungleichheit zwischen der indigenen und nicht-indigenen Bevölkerung beseitigt werden sollte. Doch immer noch ist die Minderheit – 3,2 Prozent der australischen Gesellschaft identifiziert sich als indigen – finanziell und gesundheitlich benachteiligt. So ist auch die Lebenserwartung niedriger: Im Schnitt leben weiße Australier acht Jahre länger.

«Vote No»-Lager liegt vorne

Für Premier Albanese geht es um viel – vor allem aber um die Umsetzung eines Wahlversprechens. Für ihn ist das Referendum «eine einmalige Chance, unser Land zusammenzubringen». Doch das Vorhaben ist zum Drahtseilakt geworden: Während er dem rechten Lager versichert, dass das geplante Gremium nicht entscheiden, sondern nur beraten soll, muss er indigene Skeptiker davon überzeugen, dass die Verfassungsänderung mehr als bloße Symbolpolitik ist.

Hinzu kommen schlechte Umfragewerte: Aktuell liegt das Nein-Lager mit knapp 60 Prozent vorn. Die konservative Opposition um Peter Dutton unterstützt die Nein-Kampagne und argumentiert, dass die «Stimme» Australien weiter spalten würde und nicht genügend Details über die genauen Pläne bekannt seien. «Der Vorschlag, ein neues Kapitel in die Verfassung einzufügen und den Australiern bewusst die Einzelheiten vorzuenthalten, ist ohne Beispiel und rücksichtslos», wetterte er.

Doch auch einige Indigene sagen «No». Sie beklagen, dass ein solches Beratungsgremium letztlich nur Symbolcharakter habe und machtlos sei. «Langfristig ist es unser Ziel, unsere Souveränität durchzusetzen», sagt Keiran Stewart-Assheton, Präsident der «Black Peoples Union». Die Organisation tritt für die vollständige Selbstbestimmung der Indigenen ein. Das Ziel: «Wir möchten unser Land und die natürlichen Ressourcen besser kontrollieren und ein eigenes Regierungssystem einrichten, um unsere Angelegenheiten selbst zu regeln.»

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