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Immer mehr von Gewalt betroffene Männer suchen Hilfe

Gewalt gegen Männer:Info-Flyer bei der Vorstellung der Nutzungsstatistik der Männergewaltschutzeinrichtungen in Deutschland
Info-Flyer bei der Vorstellung der Nutzungsstatistik der Männergewaltschutzeinrichtungen in Deutschland.

Immer mehr von Gewalt betroffene Männer suchen Hilfe

Gary Clark hat noch fast niemandem in seinem persönlichen Umfeld aus Scham erzählt, was mit ihm passiert ist – nicht wegen monatelanger Demütigung, nicht wegen Stalking oder aus Angst, dass sein damaliger Partner es tun würde tu ihm etwas an.

„Ich war absolut beschämt“, sagte der 63-Jährige heute. Mit der Unterstützung von Bekannten gelang ihm in diesem Frühjahr die Flucht aus der gemeinsamen Wohnung und er fand Schutz in einer Männergewaltschutzeinrichtung.

Das Thema löste Empörung aus

Wie Clark suchen immer mehr Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, Hilfe. Das zeigt eine am Freitag in Berlin veröffentlichte Statistik zur Inanspruchnahme von Männerschutzeinrichtungen, die das Bundesamt für Männerschutz vor Gewalt (BFKM) veröffentlicht hat. Dadurch ist die Zahl der Hilfesuchenden in Männerhäusern im Jahr 2022 um rund zwei Drittel gestiegen, von 251 im Jahr 2021 auf 421. 99 der Hilfesuchenden konnten in einer von zwölf Notunterkünften im ganzen Land untergebracht werden. Von den Betroffenen kamen neun Männer mit insgesamt 13 Kindern in die Einrichtungen.

„Wenn man über Männer spricht, die von Beziehungsgewalt betroffen sind, ist immer noch Wut da“, sagte Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesmännerforums, der die Ergebnisse vorstellte. Bei häuslicher Gewalt spricht man oft von männlichen Tätern, selten aber von männlichen Opfern.

Laut Lagebericht Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamts (BKA) waren im vergangenen Jahr 76,3 % (150.633) der Tatverdächtigen männlich. 28,9 % (69.471) der Opfer waren männlich. Die Zahl männlicher Opfer häuslicher Gewalt ist bei Kleinkindern unter sechs Jahren nur geringfügig höher: 3.192 Jungen und 2.993 Mädchen sind betroffen.

Um Hilfe zu bitten erfordert oft Anstrengung.

Wenn die Zahl der betroffenen männlichen Erwachsenen darüber hinaus deutlich geringer ist, sollten sie Anspruch auf die gleiche Unterstützung haben, fragen BKFM-Vertreter. Laut Statistiken über die Nutzung von Unterkünften berichteten fast alle Männer (97 %) über psychische Gewalt wie Beleidigungen, Stalking, Streit oder Grenzübertritte. Fast drei Viertel waren auch von körperlicher Gewalt betroffen. Auch wirtschaftliche, soziale und sexuelle Gewalt wurde gemeldet.

In den meisten Fällen (45 %) war der Partner für die Gewalt verantwortlich. Als Täter wurden auch Eltern (20 %), Geschwister (6,1) und Nachbarn (5,2) genannt.

Gary Clark fand schließlich eine Unterkunft in einer Notunterkunft und entkam so der monatelangen Gewalt. „Ich war 24 Stunden am Tag bei ihr“, sagte er über das Leben mit seiner Ex-Partnerin. Er hat kein Auto und kein eigenes Einkommen. „Ich stehe unter ihrer Kontrolle.“ Die Frau folgte ihm in ihrem Auto, als er durch das Dorf ging. Später fand er heraus, dass sie ihn bereits verfolgt hatte, bevor sie sich trafen. Er sagte, er sei während einer nächtlichen Dolchoperation aus der Wohnung geflohen. Er nahm nur die Kleidung, die er trug, und ließ alles andere zurück. Bis heute hat er seine persönlichen Gegenstände nicht erhalten. Seine Ex-Partnerin wollte es ihm nur gegen Geld schicken, während sie ihm immer noch regelmäßig Drohungen per Chat-Nachrichten schickte. „Meine Sachen sind wie eine Geisel“, sagte der 63-Jährige.

Hilfe zu suchen war für ihn eine große Aufgabe. Er wuchs in einer konservativen ländlichen Umgebung in seiner Heimat Kanada auf. Er wurde mit der Einstellung erzogen, dass Männer keine Schwäche zeigen sollten. Er schämt sich noch heute für seine Situation und es fällt ihm offensichtlich schwer, darüber zu sprechen. „Ich habe mir schon zu lange die Schuld gegeben.“

Jana Peters von BFKM sagte, viele Männer schämen sich oder seien sich nicht bewusst, dass sie Gewalt erleben. Laut BKA-Analyse suchten im vergangenen Jahr nur eine Handvoll Männer unter 20 Jahren Schutz in einer der Wohnungen, wobei der höchste Anteil der männlichen Opfer unter 21 Jahre alt war. Peters lieferte eine mögliche Erklärung dafür, dass Gewalt für manche Menschen nur ein Teil der Situation sei, die aus Straßenkämpfen oder Schlägereien auf dem Fußballplatz resultiere. Dies kann dazu führen, dass häusliche Gewalt nicht als solche angesehen wird. Männer haben bei der Sensibilisierung dafür noch Nachholbedarf.

Nach Ansicht von Frank Scheinert, Leiter Bildung der BFKM, muss daher klargestellt werden: „Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, es ist möglich, sich Rat zu holen und sogar eine Notunterkunft zu nutzen.“ Geben Sie Seelenfrieden und bauen Sie eine neue Lebensperspektive auf.“

Um mehr Menschen diese Chance zu geben und den Bedarf zu decken, sind laut Scheinert 67 weitere Männerhäuser nötig – mindestens eines in jedem Bundesland. Drei auf fünf Einrichtungen. Derzeit stehen in Deutschland 41 Plätze für Männer und ihre Kinder zur Verfügung. Elf Bundesländer haben überhaupt keine entsprechenden Leistungen. Von Gewalt betroffene Männer finden Informationen zu Hilfsangeboten unter www.ohne-violent-leben.de.

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Quelle: www.bild.de

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