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Herr Tykwer, würden Sie «Lola rennt» heute so noch drehen?

25 Jahre «Lola rennt»
Regisseur Tom Tykwer (l) und die beiden Hauptdarsteller, Franke Potente und Moritz Bleibtreu, bei der Weltpremiere von "Lola rennt" in Köln.

Lolas Freund ruft aus einer Telefonzelle an, weil er 100.000 Mark verloren hat, die eigentlich dem Autoschieber Ronnie gehören. Gleich will der Ganove die Kohle sehen, sonst droht Manni die Müllkippe. Lolas Lover fleht «Hilf mir», sonst überfalle er um Punkt Zwölf einen Supermarkt. «Du wartest», schreit Lola resolut und rennt los. Das Geld besorgen, ihre Liebe retten, in nur 20 Minuten.

Das – rasant in drei Varianten erzählt – ist die Handlung von «Lola rennt». Das Werk von Tom Tykwer mit viel Tempo und Techno wurde vor 25 Jahren (Kinostart war im August 1998) zum Kultfilm, beeindruckte auch Hollywood und prägte global das Bild vom coolen Berlin.

Aus einem anderen Jahrhundert

Doch 25 Jahre später ist der experimentierfreudige Film trotz modernen Anscheins wortwörtlich aus einem anderen Jahrhundert und tatsächlich aus der Zeit gefallen.

D-Mark? Telefonzelle? Die ganze Dramatik von «Lola rennt» ist an die 90er Jahre gebunden. Heute hätte Manni nicht erst eine Telefonzelle suchen müssen, um Lola sein Dilemma zu schildern. Er hätte sie wohl mit dem Handy schon viel früher angerufen oder angetextet.

Und wahrscheinlich wäre das alles gar nicht passiert, weil er mit soviel heiklem Geld in der Tüte nicht die U-Bahn genommen hätte, in der er die Summe verlor, sondern per App ein Taxi bestellt hätte.

Noch von vor der Erfindung des Smartphones

«Ein großer Teil der Filme aus dem letzten Jahrhundert müsste wegen der Erfindung des Smartphones neu erzählt werden – wenn es nur auf die Geschichte ankäme», sagt Regisseur Tom Tykwer dazu. Doch davon hänge es nicht ab, ob ein Film gut oder schlecht altere. «Gute Filme schöpfen ihre Kraft nicht aus dem Plot allein, sondern aus der Schönheit ihrer Konstruktion, einer bestimmten Atmosphäre, einer Energie, manchmal auch einer außergewöhnlichen Performance.»

Filmemacher und Cineast Tykwer (58) erläutert: «Die wichtigsten Filme sind wie Vertraute oder Freunde, die uns durchs Leben begleiten. Manche verlieren wir über die Jahre aus den Augen, und plötzlich haben sie uns nichts mehr zu sagen. Zu anderen halten wir für immer eine Verbindung. Und ab und zu entdeckt man auch Perlen der Vergangenheit wieder, und verliebt sich neu.»

Tykwer: Schaue mir meine eigenen Filme nicht an

Der Regisseur («Cloud Atlas», «Drei») gesteht: «Ich schaue mir meine eigenen Filme eigentlich nie wieder an, wenn ich sie hinter mir gelassen habe.» Zum Jubiläum von «Lola rennt» habe er aber einen neuen Blick darauf geworfen. «Ich fand ihn ganz schön frisch für sein Alter. “Wie haben wir denn das hingekriegt?”, dachte ich. Und ich dachte, ich war wirklich ein anderer Typ damals, so einen Film könnte ich nicht machen heute. Das war ein interessantes Gefühl.»

Bei «Lola rennt» regen sich bis heute manche Berlinkenner über Lolas Laufstrecke auf, denn sie ist so auf keinen Fall in der behaupteten Zeit abzulaufen. Zu sehen ist zum Beispiel die Oberbaumbrücke über die Spree zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Der Supermarkt ist dagegen ein früherer Bolle-Markt in Charlottenburg, etwa elf Kilometer entfernt.

«Filmfehler sind so schön»

Dazu sagt Tykwer nur gelassen: «Filmfehler sind so schön, ich liebe sie. Sie erinnern auf so freundliche Weise daran, dass es nicht um Perfektion geht. Das Leben ist ja auch nicht perfekt, warum soll es dann die Kunst sein? Hauptsache wahrhaftig.»

Tykwer ist einer der Autoren und Regisseure der Krimifernsehserie «Babylon Berlin» (vierte Staffel ab 29.9. in der ARD-Mediathek, im TV ab 1.10.). Derzeit arbeitet er erstmals seit «Ein Hologramm für den König» (2016) wieder an einem Kinofilm. Darin spielen Lars Eidinger und Nicolette Krebitz ein Paar, dessen Familie sich durch die Aufnahme einer syrischen Immigrantin als Haushälterin neu findet.

Der in Wuppertal geborene Tykwer hat seine Begeisterung für die deutsche Hauptstadt nicht verloren: «Wir haben gerade für meinen neuen Film “Das Licht” die ganze Stadt nach Locations abgesucht. Und mein Eindruck war: Berlin bleibt, wie es immer war – chaotisch und traumhaft, potthässlich und wunderschön. Niemals fertig. Toll.»

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