Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfängt heute den Emir des reichen Golfstaats Katar, der zu den wichtigsten Unterstützern der islamistischen Hamas gehört.
Nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel mit vielen hundert Toten hatte Katar allein Israel für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht und auf die «ständigen Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes» verwiesen. Nach Angaben der Hamas versucht Katar aber zu vermitteln, um einen Austausch israelischer Geiseln und palästinensischer Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu erreichen.
Das öl- und gasreiche Katar fordert die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Die Schwester des Emirs von Katar, Al-Majassa Al Thani, veröffentlichte nach dem Hamas-Terrorangriff auf Instagram Fotos, auf denen zu sehen war, wie das Museum für Islamische Kunst und das Nationalmuseum in Doha mit der palästinensischen Flagge angestrahlt wird. Das Brandenburger Tor in Berlin war am Wochenende dagegen in die Farben Israels getaucht worden.
Scholz und Habeck verteidigen Treffen
Aus der Unionsfraktion kam Kritik an dem Treffen. «Wir können nicht morgens den Terror der Hamas verurteilen und dann mit dem Hauptsponsor des Terrors zu Mittag essen», sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann der Zeitung «Welt». Wenn Scholz sich mit dem Emir treffe, müsse er Tacheles reden. «Katar muss bei seinen Kostgängern für die Freilassung der Geiseln sorgen. Und dann den Terroristen endlich den Geldhahn zudrehen», forderte sie.
Scholz verteidigte das Treffen. Man müsse mit vielen sprechen, damit es nicht zum Flächenbrand komme, auch mit Ländern in der Region, die Einfluss nehmen können, sagte der Kanzler in den ARD-«Tagesthemen». Vizekanzler Robert Habeck sagte am Mittwoch, es sei richtig, «dass auch meinen Informationen nach Katar ein Finanzier der Hamas ist». Der Grünen-Politiker verwies aber auch darauf, dass Katar Kontakte habe, über die Deutschland oder Israel nicht verfügten. «Und deswegen finde ich es richtig, dass der Bundeskanzler mit dem Emir redet. Und so wie ich den Bundeskanzler kenne – und wir haben uns darüber ausgetauscht – weiß ich auch, dass er Klartext mit ihm reden wird.»
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sagte der «Welt», Katar spiele seit geraumer Zeit in den Konflikten des Nahen Ostens eine wichtige Mittlerrolle, das müsse genutzt werden. Scholz werde bei dem Treffen über die Möglichkeiten der Eindämmung des Konflikts und der Befreiung der Geiseln sprechen.
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte, das Verhältnis zu Katar müsse neu justiert werden. «Trotzdem ist dieses Gespräch beim Bundeskanzler leider nötig, um hoffentlich so viele Geiseln wie möglich aus den Fängen der Terrorgruppe zu befreien. Das erwarten wir, sonst wäre das Gespräch Makulatur», sagte sie der Zeitung.
Einer der wichtigsten Hamas-Unterstützer
Dass Katar jetzt – wie schon nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan 2021 – wieder als Vermittler gefragt ist, hat mit seinen Beziehungen zu islamistischen Gruppierungen auf der einen Seite und zu westlichen Staaten auf der anderen Seite zu tun. Der arabische Golfstaat gehört seit etwa 15 Jahren zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas. Diese Unterstützung besteht anders als im Falle des Iran nicht aus Waffenlieferungen. Vielmehr greift das reiche Emirat der islamistischen Bewegung vor allem politisch unter die Arme und leistet finanzielle Hilfe, etwa beim Wiederaufbau von Infrastruktur nach israelischen Angriffen. Hamas-Chef Ismail Hanija lebt in Katar.
Der Angriff der Hamas wird in der arabischen Welt unterschiedlich bewertet. Während Katar, Kuwait und Oman allein Israel die Schuld an der Eskalation geben, fanden die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain gemäßigtere Worte – sie haben ihre Beziehungen zu Israel normalisiert. Saudi-Arabien forderte ein sofortiges Ende der Eskalation. Gleichzeitig warnte die Regionalmacht vor einer «Entziehung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes».
Keine gemeinsame Pressekonferenz geplant
Scholz hatte den Emir bereits vor gut einem Jahr in Doha besucht. Wie damals ist auch diesmal keine gemeinsame Pressekonferenz geplant, sondern nur ein Fototermin bei der Ankunft (12.00 Uhr). Pressekonferenzen mit Gästen aus dem Ausland sind anders als in Deutschland in vielen autoritär geführten Staaten wie Katar nicht üblich. Die Staatschefs dieser Länder lassen sich meistens auch bei Auslandsbesuchen nicht darauf ein. Zuletzt hatte es Kritik an einem Pressetermin von Scholz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang im Kanzleramt gegeben, bei dem auf Druck der chinesischen Seite keine Fragen zugelassen wurden.