Im Zuge wachsender Spannungen nach dem Militärputsch im Niger wächst die Sorge um den entmachteten Präsidenten Mohamed Bazoum. Der 63-Jährige wird seit 16 Tagen in seiner Residenz festgehalten. «Nachdem ihm mehrere Tage lang Strom und Telefon vorenthalten wurden, entziehen ihm die Putschisten nun unter anderem seinen Hausarzt. Selbst der Zugang zu Lebensmitteln wird ihm verwehrt», sagte Bazoums stellvertretender Kabinettschef Moussa Oumarou der Deutschen Presse-Agentur.
Auch seine Ehefrau und sein Sohn werden weiter festgehalten. Oumarous Angaben zufolge sollen die Putschisten rund 100 Angehörige der gestürzten Regierung festgenommen haben, darunter den Sohn des ehemaligen Präsidenten Mahamadou Issoufou.
Berichte von Todesdrohungen
Einer US-Diplomatin soll die Junta gedroht haben, Bazoum im Falle einer Militärintervention umzubringen, wie die «New York Times» auf Grundlage eines Berichts der US-Nachrichtenagentur Associated Press berichtete. Die Drohung rief weltweit Empörung sowie weitere Aufrufe zu Bazoums Freilassung hervor.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch teilte am Freitag mit, Mitarbeiter hätten mit Bazoum und mehreren Vertrauten gesprochen. «Ich habe seit dem 2. August keinen Strom mehr und seit dem 4. August keinen menschlichen Kontakt mehr. Ich darf meine Familienmitglieder (oder) meine Freunde nicht empfangen, die uns Lebensmittel und andere Güter gebracht haben», wurde Bazoum zitiert.
Ohne Strom seien sie gezwungen, trockene Lebensmittel zu essen. «Mein Sohn ist krank, hat ein schweres Herzleiden und muss zum Arzt», sagte er. «Sie weigern sich, ihn medizinisch behandeln zu lassen.» Bazoums Arzt und Anwalt bestätigten HRW, seit dem Putsch keinen Kontakt zu Bazoum oder seiner Familie gehabt zu haben.
Tochter in Frankreich
Bazoums Tochter, die zum Zeitpunkt des Putsches in Frankreich war, sagte der britischen Zeitung «Guardian», dass sie fast täglich telefonisch Kontakt mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem Bruder habe. «Die Situation meiner Familie ist sehr schwierig gerade», sagte sie. Sie hätten kein fließendes Wasser und ernährten sich noch von Vorräten von Nudeln und Reis, bald gehe aber auch das Gas für ihren Herd zur Neige. Ohne Strom lebten sie im Dunkeln und in der Hitze.
Am 26. Juli hatte Nigers Präsidialgarde unter General Abdourahamane Tiani Bazoum in seiner Residenz festgesetzt, nachdem dieser Beobachtern zufolge Tiani an der Spitze der Eliteeinheit auswechseln wollte. Auch die anderen Zweige der Streitkräfte schlossen sich dem Putsch an, verkündeten «das Ende des Regimes» und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Tiani übernahm die Macht. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas droht mit eine Militäreinsatz, falls die Putschisten Bazoum nicht freilassen und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherstellen.
Im Niger, wo derzeit Regensaison herrscht, liegen die Temperaturen tags bei über 30 und nachts bei über 23 Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit. Nachbarland Nigeria hatte dem Niger als Teil der Sanktionen nach dem Putsch die Stromlieferungen abgestellt, von denen das Land zu großen Teilen abhängig war. Ein großer Teil der Bevölkerung hat nun keinen Strom. Die Lebensmittelpreise in dem Land sind binnen der zwei Wochen drastisch gestiegen. Mehr als 40 Prozent der rund 26 Millionen Einwohner des Nigers leben in extremer Armut.