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Greipels Seitenwechsel: «Angekommen im normalen Leben»

André Greipel
André Greipel ist bei der WM erstmals als Straßen-Bundestrainer im Einsatz.

André Greipel überlässt nichts dem Zufall. Bei der Tour de France hat der neue Straßenrad-Bundestrainer seine Fahrer gleich zum Auftakt in Bilbao persönlich getroffen. Zur Super-WM in Glasgow wählte er zwecks Streckenbesichtigung eine frühere Anreise. «Ich war früher immer einer, der gemeckert hat. Jetzt habe ich die Chance, Dinge anders anzugehen und die Kommunikation, die früher sehr schwierig war, anders zu machen», sagte Greipel der Deutschen Presse-Agentur.

Am Sonntag steht der mit 158 Siegen erfolgreichste deutsche Radprofi beim WM-Straßenrennen der Männer erstmals am Kommandostand. Gut zwei Jahre nach seinem Karriereende vollzieht der gebürtige Rostocker damit endgültig den Seitenwechsel. Er, der jahrelang dem ersten deutschen WM-Titel seit 1966 (Rudi Altig) hinterhergejagt war und der 2011 mit Bronze in Kopenhagen für die letzte deutsche WM-Medaille gesorgt hatte. «Chancen auf den Titel waren genug da. Ich kann nur nach vorne gucken und versuchen, Dinge besser zu machen», sagt der 41-Jährige rückblickend.

Mit Greipel bekommt der Bund Deutscher Radfahrer einen Mann der klaren Worte. «Die beste Lösung», wie BDR-Vizepräsident Marcus Burghardt findet: «André bringt nicht nur eine wahnsinnige Erfahrung ein, er ist auch an kein Team gebunden und kann daher frei und neutral handeln.»

Greipel: «Wir haben sehr gute Rennfahrer»

Den Rollenwechsel habe er gut vollzogen, sagt Greipel, der in seinen 17 Profijahren insgesamt 22 Etappen bei großen Rundfahrten gewann. Elf davon holte er bei der Tour de France. «Ich denke, ich bin gut angekommen im normalen Leben», so der zweifache Familienvater. «Man hat nicht mehr diese körperliche Anstrengung, aber mental ist man schon manchmal kaputt.»

Früher musste er in den Sprints mehr als 1500 Watt auf die Pedale bringen, nun sind im Teamwagen kluge taktische Anweisungen gefragt. Vom Titel mag er aber nicht träumen. Sein Team um die beiden Klassiker-Spezialisten Nils Politt und John Degenkolb gehöre eher zu den Underdogs. Eine Top-Ten-Platzierung sollte aber möglich sein.

Ohnehin sieht Greipel den deutschen Radsport nicht so schlecht aufgestellt, auch wenn bei der Tour zum zweiten Mal in Folge kein Etappensieg heraussprang und dieses Mal nur sieben Fahrer am Start standen. «Man guckt immer auf die Weltrangliste, aber das ist meiner Meinung nach trügerisch, weil wir sehr gute Rennfahrer haben, die in ihren Mannschaften ihre Aufgaben übernehmen», sagt Greipel. Auch im Sprint, für Greipel eine Herzensangelegenheit, habe Deutschland in Phil Bauhaus und Pascal Ackermann noch zwei Radprofis von Format. Sorgen mache er sich eher mit Blick auf den Nachwuchsbereich.

Darauf hat Greipel keinen großen Einfluss. Seine Anstellung beim BDR verlaufe auf Honorarbasis für die großen Events wie WM, EM oder Olympia. «Das ist kein zeitfüllender Job», betont er. Muss es aber auch nicht. Greipel genießt die freie Zeit, die er fast zwei Jahrzehnte nie hatte. «Es ist schon ganz schön, öfter zu Hause sein und öfter im eigenen Bett aufzuwachen», sagt der einst als Gorilla gefürchtete Sprinter. Und ganz in die Ecke gestellt hat er sein Rennrad auch nicht. 200 bis 300 Kilometer spult Greipel pro Woche noch ab.

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