Fast drei Jahre nach der Freigabe von Daten des Kommunikationsdienstes Encrochat hat die Berliner Staatsanwaltschaft bisher in fast 100 Fällen Anklage erhoben. Von den bislang rund 740 polizeilich ermittelten Komplexen seien rund 45 Prozent bei der Staatsanwaltschaft angekommen, sagte Oberstaatsanwalt Reiner Pützhoven der Deutschen Presse-Agentur. Der Jurist leitet die Fachabteilung, die Anfang 2022 bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingerichtet wird. „Bisher wurden etwa 50 Encrochat-Nutzer in Berlin zu mehr als 200 Jahren Haft verurteilt“, berichtet Pützhoven.
Kriminelle verwenden die Encrochat-Verschlüsselungssoftware für illegale Transaktionen. Der Dienst gilt aufgrund seiner ausgeklügelten Verschlüsselung als unzerbrechlich. Im Frühjahr 2020 gelang es der Polizei in den Niederlanden und Frankreich jedoch, Millionen geheimer Daten zu stehlen. Dies führte zu vielen Festnahmen in ganz Europa. Seitdem ringen Polizei und Justiz mit der Auswertung der Daten.
Laut Staatsanwaltschaft gab es allein in Berlin rund 1,6 Millionen Chatnachrichten von knapp 750 Nutzern. Laut Behörden waren Anfang des Jahres mehr als 300 Verfahren anhängig, davon rund 50 mit unbekannten Tätern. In etwa einem Drittel der Fälle wurde Anklage erhoben, ein Drittel wurde eingestellt, der Rest lief weiter.
Unterdessen verurteilen Berliner Landgerichte regelmäßig Kriminelle, die hauptsächlich mit Drogen oder Waffen handeln, die über verschlüsselte Mobiltelefone gehandhabt werden. Im Durchschnitt, so Pützhoven, liege die Strafe bei fünfeinhalb Jahren Haft.
Nach aktuellem Ermittlungsstand geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Täter rund 52 Millionen Euro erhalten haben. Davon wurden mehr als 4,5 Millionen Euro gesichert, davon etwa 320.000 Euro in bar und 780.000 Euro auf Konten. Der Rest verteilt sich auf Sachwerte wie Autos, Immobilien oder Schmuck.
Das Verschlüsseln von Telefonen wird Polizei und Staatsanwaltschaft beschäftigen. Ende 2020 hat Europol, die Polizeibehörde der Europäischen Union, die Verschlüsselung des ECC-Kommunikationssystems von Sky geknackt und Millionen von Chat-Nachrichten von Nutzern auf der ganzen Welt gesichert. „Allerdings hat das ECC für uns bisher keine nennenswerte Rolle gespielt“, erklärte der Oberstaatsanwalt. Hintergrund ist, dass die Daten aus Frankreich dem Bundeskriminalamt noch nicht vollständig übermittelt wurden. Rund 20 Fälle gingen bei der Staatsanwaltschaft Berlin bisher ein, zwei davon wurden strafrechtlich verfolgt.