Bürgerinnen und Bürger sollen künftig vermehrt Behördendienste online nutzen können – doch der neue Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Feather (SPD) zur Digitalisierung der Verwaltung sieht keine Umsetzungsfrist vor. Das ruft jetzt die Koalitionspartner Grüne und FDP an die Macht.
„Die Vorschläge des aktuellen Entwurfs des Onlinezugangsgesetzes 2.0 gehen in die richtige Richtung – aber an zwei Stellen sehe ich deutlichen Nachbesserungsbedarf“, sagte die Innenpolitikerin Misbah Khan der Deutschen Presse-Agentur (Grüne).
„Auf verantwortliche Akteure muss Druck ausgeübt werden“
Der nun vorgelegte Entwurf nennt leider keine Umsetzungsfrist mehr. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen betonte: „Wir müssen aber Druck auf die Spitzen von Bund, Ländern und Kommunen machen, sonst kommen wir nicht schnell voran.“
Denkbar sei etwa ein Rechtsanspruch auf Online-Zugriff auf Verwaltungsleistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt. Dadurch werden verantwortliche Akteure stärker zur Rechenschaft gezogen. Es entsteht Rechtssicherheit für Bürger und Unternehmen sowie für die mit der Durchsetzung betrauten staatlichen Stellen.
FDP-Digitalexperte Volker Redder sieht keinen generellen Termin für alle lebensnotwendigen Leistungen, vom Jugendamt bis zum Bauantrag, online zu liefern. Dies sei aber seiner Meinung nach für einzelne Dienste notwendig. Redder sagte der dpa: “Ich will keine zahnlose Frist im Onlinezugangsgesetz 2.0. Ich will konkret darüber reden, welche Dienste den Bürgern spätestens zur Verfügung gestellt werden müssen.” Dafür brauche es Sanktionen. „Wenn die öffentliche Hand ihren Digitalisierungsverpflichtungen nicht nachkommt, wird sie sicherlich „weh tun“.
Weit davon entfernt, das Ziel für 2017 zu erreichen
Bund und Länder haben fünf Jahre Zeit, um ihre Dienstleistungen zu digitalisieren. Hierfür steht das im August 2017 vom Bundestag beschlossene Onlinezugangsgesetz (OZG) zur Verfügung. Es verlangt von den Ländern, alle 575 Verwaltungsdienste bis Ende 2022 online zu stellen. Doch das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Um die Digitalisierung voranzutreiben, soll die OZG 2.0 nun Abhilfe schaffen. Der Entwurf des Innenministeriums sieht vor, dass „der Umsetzungszeitraum des OZG den Eckpunkten zuträglich ist und die begleitende Evaluation noch zu regeln ist“.
Um die Unterzeichnung von Anträgen auf Papier zu vermeiden, werden Online-Ausweise für “Bürgerkonten” verwendet, über die die Kommunikation zwischen dem Einzelnen und der Verwaltung abgewickelt wird. Bei Unternehmen sollte das anders sein. Ihr Benutzerkonto wird als “Organisationskonto” bezeichnet. Als Unterschriftsersatz sollte das für die Online-Identitätsprüfung beim Finanzamt erforderliche Elster-Zertifikat verwendet werden.
Es fehlt auch an gezielter Werbung
Für Misbahan ist die Online-Funktion des Personalausweises ein Beleg dafür, „dass wir in Deutschland voll in der Lage sind, innovative Technologien zu entwickeln“. Dass viele Menschen diese Möglichkeit (die auch datenschutzrechtlich hohen Ansprüchen genügt) noch nicht genutzt haben, liegt auch daran, dass noch nicht viele Verwaltungsstellen darauf zugreifen können. Außerdem wurde nicht richtig beworben.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind bis Ende 2021 schätzungsweise 51,2 Millionen Personalausweise mit Online-Ausweis freigeschaltet. Bis 2022 soll das Feature in durchschnittlich mindestens 5,32 Millionen Prozessen zum Einsatz kommen.
Die Nutzung von Bürgerkonten sollte für die Nutzer freiwillig sein. Um Verwirrung zu vermeiden und den Nutzern eine Anwendung aus einer Hand zu bieten, heißt es im Entwurf: „Die Nutzung anderer staatlicher Bürgerkonten ist im Portalverbund nicht gestattet.“
«Es muss eine stärkere Zentralisierung erreicht werden»
Khans zweiter Kritikpunkt: Der Entwurf berücksichtigt zu wenig, dass Anwendungen, die von den einzelnen Bundesländern nach dem „one-and-done“-Prinzip entwickelt werden, auf Open-Source-Code basieren. Dies ist jedoch eine Voraussetzung dafür, dass sie für andere Länder kostenlos wiederverwendbar und austauschbar sind.
Das neue Gesetz könne nur der Grundstein dafür sein, „dass Deutschland sein digitales Defizit aufholen kann“. Ohne eine Neuordnung der Verantwortlichkeiten geht es nicht. „Wir müssen bei der Digitalisierung eine stärkere Zentralisierung erreichen“, sagte Redder. Es gebe immer noch “zu viele Mitspieler mit einer Stimme, was den Prozess enorm verlangsamt”.