Katholische Kirche vor Gericht: Sind Hohepriester in Missbrauchsfälle verwickelt? Haben Opfer Anspruch auf Entschädigung? Und Entschädigung? Für das Erzbistum München und Freising werden diese Fragen nicht von kirchlichen Gerichten, sondern von weltlichen Gerichten entschieden. Das Bistum selbst hat nun endlich den Weg dafür geebnet.
Denn das Bistum wollte sich nach Klagen von Missbrauchstätern beim Amtsgericht Traunstein nicht auf die Verjährung berufen. Das Erzbistum „hat die Verjährung nicht angefochten“, teilte das Bistum am Mittwoch mit. Sie steht vor einem Verfahren.
“Die Erzdiözese ist bereit, eine angemessene Entschädigung für das Leiden des Klägers zu zahlen und eine angemessene Lösung für weitere Schadensersatzansprüche zu finden”, fuhr die Erklärung fort. „Die Erzdiözese bedauert zutiefst das Leiden der Kläger und anderer Missbrauchsopfer.“
Kritiker haben eine rechtliche Überprüfung von Missbrauchsfällen innerhalb der Kirche vor der Justiz gefordert, weil sie befürchten, dass sich die Diözese auf die gesetzlichen Grenzen berufen könnte und entzieht sich selbst einem Verfahren vor dem Amtsgericht Traunstein.
Die Anwälte des Klägers sehen die Antwort als erfolgreich an
Dass dies nun nicht geschieht, macht Vorsitzender Richard Kick, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte, dem erzdiözesanen Beirat zu Mitgliedern “glücklich”. Er sprach von einem wichtigen Signal: „Das ist eine klare Ansage.“ Positiv sieht er vor allem, dass die Kirche jetzt Begriffe verwendet, die sie früher gemieden hat, so wie der Teufel das Weihwasser vermeidet. „Schmerz und Schaden, dieser Begriff wurde noch nie zuvor verwendet“, sagte Kick. Die katholische Kirche hat zwar schon früher Gelder an Opfer sexueller Gewalt ausgezahlt, verzichtet aber bewusst auf den Begriff „Schmerzensersatz“ und spricht von einer freiwilligen Anerkennung von Leistungen.
Der Anwalt der Kläger, Andreas Schulz, sieht die Antwort des Erzbistums auf die Berufung als erfolgreich an: “Die Klagestrategie der Kläger vor den weltlichen Gerichten hat ihr Urteil erfolgreich verkündet”, sagte er der dpa. Als „angemessene Entschädigung“ gilt seiner Ansicht nach das, was die Kirche bisher im Rahmen des kircheninternen Anerkennungsverfahrens gezahlt hat. Der Höchstbetrag beträgt in der Regel 50.000 Euro.
Der Kläger ist ein Mann, der behauptet, von Pfarrer H., einem verurteilten Wiederholungstäter in Garching an der Alz, missbraucht worden zu sein. Seine Zivilklage, die sogenannte Feststellungsklage, richtet sich gegen vier Verdächtige: die mutmaßlichen Täter, den Erzbistum und ehemaligen Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger und Kardinal Friedrich Wetter.
Versetzung trotz Missbrauchsvorwürfen
Der Priester wurde in den 1980er Jahren trotz vorangegangener Missbrauchsvorwürfe von Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt. Obwohl der Mann nach weiteren Straftaten in Grafen bei München wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde, wurde er erneut verlegt: nach Garching an der Alz, wo niemand von seiner Tat wusste – der Pfarrer missbrauchte erneut Kinder.
Nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Ratzinger wird das Verfahren gegen ihn ausgesetzt, bis ein Rechtsnachfolger feststeht. Das Verfahren gegen die anderen drei Angeklagten wird unverändert fortgesetzt. Auch Pfarrer H. und Kardinal Wetter erwähnten die Verjährung nicht, so Gerichtssprecherin Andrea Titz. Unklar ist, wie sich Ratzingers Rechtsnachfolger positionieren will. Als Termin für eine mündliche Verhandlung schlug das Gericht den 28. März vor.
Die Sourdough Initiative, die die Kläger auch finanziell unterstützte, zeigte sich „erfreut und erleichtert“ über den Gang der Dinge. Alles andere in der Erzdiözese ist jedoch möglicherweise schwer zu vermitteln. Erst letzte Woche gab Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx eine große Pressekonferenz darüber, was seine Diözese ein Jahr nach der Veröffentlichung eines großen Missbrauchsberichts gelernt und getan hatte. Blockiert das Bistum dann das Traunsteiner Gerichtsverfahren unter Berufung auf die Verjährung, könnte dies zu Unverständnis führen, nicht nur bei den Betroffenen.
Canonist sieht eine Klagewelle auf die Kirche zukommen
Dies gilt zunächst im Zusammenhang mit einer ähnlichen Schadensersatzklage in Köln. Dort forderte ein 62-Jähriger 750.000 Euro, nachdem er behauptet hatte, mehr als 300 Mal von einem katholischen Priester als Assistent missbraucht worden zu sein. Die Erzdiözese von Marx’ umstrittenem Kardinalkollegen Rainer Maria Woelki berief sich in der Sache nicht auf die Verjährung.
Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht nach den Entscheidungen der beiden wohlhabenden Männer nun eine Klagewelle über das kirchliche Erzbistum hinwegfegen: Nun werden „viele Opfer sexueller Gewalt staatliche Maßnahmen ergreifen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sollte es dazu kommen, werden seiner Meinung nach vor allem die ärmeren Bistümer finanziell in Bedrängnis geraten: Viele Bistümer werden „die vom Landgericht angeordneten Summen, die bis zu 800.000 Euro betragen können, lange nicht zahlen können, weil Köln musste viele Vermögenswerte wie Immobilien verkaufen ».