Angesichts des seit Wochen andauernden Fahrerstreiks auf der südhessischen Autobahnraststätte Gräfenhausen hat der Berliner Erzbischof Heiner Koch eine faire Bezahlung als «Frage der Moral und der Menschenwürde» bezeichnet. Koch ist zuständig für das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis. «Diese Menschen sitzen für uns Tag für Tag über viele Stunden hinter dem Lenkrad, sie übernachten auf lauten, oft überfüllten Rastplätzen und sind lange Zeit von ihren Familien getrennt», sagte er über Fernfahrer aus Osteuropa und Zentralasien. «Diese schwere Arbeit verlangt eine angemessene, zuverlässige und pünktliche Bezahlung. Niemand darf gezwungen sein, monatelang auf sein Geld zu warten.»
In Gräfenhausen sind im Juli rund 150 Lkw-Fahrer aus Georgien und Zentralasien in den Streik getreten, um ihren Lohn einzufordern. Sie beklagen, dass sie – teilweise bereits seit Monaten – keine Bezahlung erhalten hätten von der polnischen Spedition, für die sie arbeiten. Inzwischen hat die Spedition Anzeige erstattet und betont, die Fahrer seien keine Arbeitnehmer, sondern Auftragnehmer. Bereits im April hatten etwa 60 Trucker derselben Spedition gestreikt, um ihre Forderungen durchzusetzen – mit Erfolg, nach etwa sechs Wochen bekamen sie ihr Geld.
Koch sagte, es könne nicht angehen, dass Firmen Gewinne damit machen, Menschen auszubeuten, auszunutzen und um ihren gerechten Lohn zu bringen. «Wir müssen in Deutschland alles unternehmen, damit die Lkw-Fahrer bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung bekommen», betonte der Bischof. «Diese Regelungen müssen europaweit gelten und auch durchgesetzt werden. Juristisch legale, aber menschlich und moralisch nicht akzeptable Schlupflöcher, die eine Ausbeutung von Männern und Frauen aus dem Osten Europas möglich machen, müssen geschlossen werden.»
Die Raststätte in Gräfenhausen ist mittlerweile voll. Gewerkschafter, die sich um die Fahrer kümmern, sind auf der Suche nach einem alternativen Standort, insbesondere mit besseren hygienischen Bedingungen als in Gräfenhausen. Bisher gebe es aber keine Ergebnisse aus den Gesprächen mit Kommunen in der Umgebung, sagte eine Sprecherin des Beratungsnetzwerks «Faire Mobilität» am Freitag.