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Erfahrene Tierärzte warnen vor „Notfall“: Fisch vom Aussterben bedroht

Sandra Lechleiter
Die Fischtierärztin Sandra Lechleiter in ihrer Praxis mit einem betäubten Goldfisch während einer klinischen Untersuchung.

Obwohl der bewimperte Organismus Ichthyophthirius multifiliis mit bloßem Auge schwer zu erkennen ist, kann er Aquarien und Aquakultur erheblich schädigen. Dieser einzellige Parasit lebt auf der Haut und den Kiemen von Fischen und verursacht die Weißpünktchenkrankheit.

Laut Fischtierärztin Sandra Lechleiter sind sie für erfahrene Aquarianer mit bloßem Auge gut zu erkennen – dank der Gesetzesreform nützt ihm das aber schnell nichts mehr.

Nach dem im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Tierarzneimittelgesetz werden alle antimikrobiellen Mittel – außer Antibiotika, solche gegen Viren, Pilze und Protozoen – spätestens 2027 rezeptpflichtig sein. „Deshalb ist ihre Verwendung nur nach tierärztlicher Untersuchung und Verschreibung erlaubt“, stellte Leclet kürzlich auf einer Veranstaltung des Deutschen Aquarien- und Terrarienverbandes klar. Auch solche Zubereitungen bedürfen einer Genehmigung.

Es gibt nur etwa ein Dutzend Tierärzte, die sich auf Fischforschung spezialisiert haben

Da es sich bei Zierfischarzneimitteln jedoch um einen solchen Nischenmarkt handelt, hält Lechleiter das Zulassungsverfahren für nicht wirtschaftlich Big Pharma Auf der anderen Seite können sich kleinere Hersteller die millionenschweren Kosten für Arzneimitteltests und -zulassungen nicht leisten.

Erschwerend kommt hinzu, dass es in Deutschland nur rund ein Dutzend spezialisierte Fischtierärzte und andere spezialisierte Kontrollstellen mit eigener Praxiserfahrung gibt. Lechleiter beispielsweise betreibt in Neuenbürg bei Pforzheim eine Fischzucht, reist aber ein paar Tage in der Woche durchs halbe Land, um ihre schuppigen Patienten zu besuchen.

Experten warnen davor, dass das neue Gesetz eine riesige Versorgungslücke schaffen wird, die die Behandlung von Millionen von Tieren nicht nur gefährden, sondern unmöglich machen wird. Beispielsweise tritt die Weißpünktchenkrankheit sehr häufig auf und unbehandelt sterben die meisten Fische in einem betroffenen Aquarium innerhalb weniger Tage.

Verena Jung-Schroers von der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist ebenfalls Fachtierärztin für Fisch. Erkrankungen durch einzellige Parasiten sind ein fast tägliches Thema der Sprechstunde. Hier gilt unterm Strich, dass teure Koi-Besitzer kommen, keine Guppy-Freunde. Aus Tierschutzsicht findet sie die Gesetzesänderung bedenklich: „Die Fische sterben wirklich“, stellte Jung-Schroers unmissverständlich fest. Außerdem befürchtet sie, dass der Besitzer auf fragwürdige Weise an Geld kommt.

Deshalb plädiert sie wie ihr Kollege Lechleiter für Ausnahmen, damit einige dieser Medikamente trotzdem eingesetzt werden können. Allerdings verweist das Bundeslandwirtschaftsministerium auf die EU-Verordnungen, die dem neuen Tierarzneimittelgesetz zugrunde liegen. Sie zielen unter anderem darauf ab, einen umsichtigeren Einsatz antimikrobieller Tierarzneimittel zu gewährleisten. Hintergrund ist, dass die Resistenzen gegen solche Medikamente zunehmen – sie können also nichts mehr gegen den Erreger ausrichten.

“Im Aquarium ist das nicht so einfach”

Das Problem ist das. Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums sagte, die zuständigen Bundesministerien seien über die Angelegenheit informiert und hätten sich mit dem befasst entsprechenden Abteilungen. Um großflächige Versorgungslücken zu vermeiden, sind bestimmte Formulierungen von der Zulassungspflicht ausgenommen. Allerdings sind hier nach EU-Recht verschreibungspflichtige Produkte ausgenommen – also alle antimikrobiellen Tierarzneimittel. Wenn sich hier etwas ändern soll, muss die EU nach Ansicht der Sprecherin noch einmal von vorne anfangen.

Laut Jung-Schroers ist es mit Aquarienfischen verwandt. Für Speisefische gelten andere Anforderungen an den Einsatz von Medikamenten – und vor allem ganz andere Methoden der Parasitenbekämpfung. Beispielsweise kann der Wasserfluss in Forellenfarmen erhöht werden, um Mikroben auszuspülen. Oder Sie legen die Fische in verschiedene Töpfe. „Aquarien sind nicht so einfach.“ Experten erklären, dass sich einige Parasiten bei höheren Wassertemperaturen auch bei Aquarienfischen besser ausbreiten können.

Ihrer Aussage nach besteht keine Gefahr für Menschen. Die betreffende Krankheit ist für sie nicht ansteckend. Aus Sicht des Bundes sind die Regeländerungen hauptsächlich nur eine Reaktion auf das weltweite Problem der Antibiotikaresistenz. Arzneimittelrückstände, die durch Fischwasser in die Kanalisation oder die Umwelt gelangen könnten, spielten bei den Überlegungen laut der Sprecherin keine zentrale Rolle.

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