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Eisschnelllauf sehnt sich nach neuem Glanz

Matthias Große
Matthias Große ist der Präsident der DESG.

In angemessen düsterem Ambiente präsentiert Matthias Große eine Bilanz des Grauens. Kurz vor Weihnachten 2020 und nur drei Monate nach seiner Wahl zum Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG) attestiert der Geschäftsmann dem Verband einen «desolaten finanziellen Zustand», spricht von Vettern- und Misswirtschaft.

Unübersehbar mit im Bild: Aufsteller seines Immobilien-Unternehmens mit dem Berliner Ausflugsziel Müggelturm als Namensgeber sowie der von ihm ins Boot geholte Hauptsponsor des Verbandes, eine Firma aus der Gebäudewirtschaft (B&O) mit Sitz im bayrischen Bad Aibling.

«Nach meinem Amtsantritt ist uns schnell klar geworden, dass die Situation noch viel schlimmer ist, als wir es uns vorgestellt haben», sagt Große nun im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das habe sich herausgestellt, weil der Verband «auf Herz und Nieren» geprüft worden sei.

Große will Mitgliederversammlung einberufen

Seine Vorgängerin Stephanie Teeuwen war im November 2019 zurückgetreten. Kritiker hatten Große angelastet, die Akquise neuer Geldgeber an seine Wahl geknüpft zu haben. «Ziel sollte es nach meinem Verständnis bei einer Sponsorenbindung stets sein, dass diese langfristig angelegt ist und nicht zwingend an handelnden Personen festgemacht wird», hatte der damalige DESG-Vizepräsident Uwe Rietzke im April 2020 in einem dpa-Interview erklärt.

Geht es nach dem 55-jährigen Große, sollen noch im ersten Halbjahr 2023 die Mitglieder der DESG auf einer Versammlung darüber informiert werden, was vor seiner Amtszeit alles schiefgelaufen ist. Diese soll innerhalb der kommenden drei Monate einberufen werden. Dann solle dargelegt werden, «was da alles ans Tageslicht gekommen ist, welche Verfehlungen in den Jahren bis zu unserer Verbandsübernahme passiert sind».

Zugleich kündigte der Verbandschef an, dass frühere DESG-Funktionäre für Verfehlungen zur Verantwortung gezogen werden sollen. Seinen Worten zufolge sollen unter anderem finanzielle Mittel falsch eingesetzt worden sein. «Wir werden die Verantwortlichen dieser Krise und dieser Verfehlungen belangen. Das habe ich damals schon versprochen und dabei bleibt es auch. Weil es hier nicht nur um 3,80 Euro geht, sondern um ein bisschen mehr», sagt Große. In welcher Form seine Vorgänger zur Rechenschaft gezogen werden könnten, will er der Entscheidung der Mitglieder überlassen.

DESG wendet drohende Insolvenz ab

Finanziell sei die noch 2020 von einer Insolvenz bedrohte DESG inzwischen dank der Sponsoren und der Fördermittel stabil aufgestellt. «Dass wir überhaupt noch da sind, ist ein großer Erfolg. Jahrelang wurde über die Insolvenz, die Auflösung der DESG gesprochen. Diese Themen sind lange vom Tisch», betont Große. Und weiter: «Es gibt es viele, viele, viele Baustellen, die wir wieder begradigt haben.» Weder zu Inhalten der bisherigen Aufräumarbeiten noch darüber, ob das Finanzloch bei Amtsübernahme größer als die bestätigten 400.000 Euro war, wollte sich der DESG-Chef äußern. «Das kann ich, aber das möchte ich jetzt nicht. Die Mitglieder sollen es zuerst erfahren», sagt er bestimmt.

Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich wirft Große den früheren Verbandsführungen Missmanagement vor, das zum Niedergang des einstigen Medaillengaranten Eisschnelllauf geführt habe. «Die DESG hat unter der alten Führung 15 Jahre lang keine zielgerichtete Nachwuchsarbeit mehr geleistet, sondern alles auf die großen Namen ausgerichtet. Man hat sich jahrelang auf den vielen Medaillen ausgeruht, die Deutschland gewonnen hat», kritisiert der Lebensgefährte von Claudia Pechstein.

Die fünfmalige Olympiasiegerin war Teil der glanzvollen Zeiten, kann aber mit ihren inzwischen 51 Jahren nicht mehr in die Medaillenränge laufen. Bei den Weltmeisterschaften am vergangenen Wochenende im niederländischen Heerenveen sorgte die Berlinerin über 5000 Meter ebenso mit Platz zehn wie Fridtjof Petzold aus Crimmitschau über 10.000 Meter mit für die nur zwei deutschen Top-Ten-Platzierungen in Einzel-Entscheidungen. «Unser Ziel muss es sein, wieder Medaillen zu gewinnen, daran werden wir gemessen. Wir können alle Arbeit der Welt machen. Wenn wir keine Medaillen holen, werden wir Prügel beziehen», sagt Große.

Große: «Verlorene Nachwuchsarbeit aufholen»

Olympia-Medaillen hatte es zuletzt bei den Spielen 2010 in Vancouver mit Gold in der Mannschaftsverfolgung der Frauen sowie jeweils Silber für Stephanie Beckert (3000 Meter/5000 Meter) und Jenny Wolf (500 Meter) gegeben. Die bis dato letzte WM-Medaille ging 2020 auf das Konto von Patrick Beckert mit Bronze über 10 000 Meter.

Immerhin gab es in der abgelaufenen Saison durch Felix Rijhnen aus Frankfurt/Main im Massenstart nach langer Zeit wieder einen Weltcup-Sieg. Bei den Frauen, wo laut Große die Berlinerin Michelle Uhrig ein Lichtblick ist, sei man «nur noch zweitklassig. Aber bei den Männern geht es gut voran.» Man müsse «in der Breite zehn Jahre verlorene Nachwuchsarbeit aufholen».

Hoffnungen richtet der Verbandschef dabei nicht nur auf die Rückkehr von Beckert nach überstandenen Knieproblemen, sondern auch auf Kurz- und Mittelstreckler wie Moritz Klein, Stefan Emele (beide Erfurt) und Hendrik Dombek (München). Man habe junge Leute, 20, 22 Jahre alt, die angreifen würden und bei den Olympischen Winterspielen 2026 etwas erreichen könnten, sagt er und fügt an: «2026 wird es wieder eine Medaille geben. Da bin ich zuversichtlich. Ich glaube auch zu wissen, von wem: Das Beispiel Moritz Klein zeigt, wie ein Champion entstehen kann.»

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