Der Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler ist zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe 2021 schlecht organisiert gewesen. Das geht aus einem von der Staatsanwaltschaft Koblenz in Auftrag gegebenen Gutachten hervor, dessen Ergebnisse sie am Dienstag mitteilte. Das Einsatzkonzept des Landkreises sei nicht ausreichend entwickelt gewesen.
Bereits am Montag hatte die Staatsanwaltschaft erste Ergebnisse des Gutachtens veröffentlicht und gesagt, der Landkreis habe kein ausreichendes Konzept gehabt. Nun berichtete sie von mehr Details: Es habe keine Stabsdienstordnung, kein Einsatzführungskonzept, keinen Verwaltungsstab und keine systematischen Abläufe oder Regelungen gegeben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Technische Einsatzleitung habe zu wenig Personal für solch ein Ereignis gehabt und das eingesetzte Personal sei nicht ausreichend aus- und fortgebildet gewesen, heißt es. In der Flutnacht habe eine permanente Überlastung der Technischen Einsatzleitung geherrscht.
Bei der Flutkatastrophe 2021 waren in Rheinland-Pfalz 136 Menschen ums Leben gekommen, davon 135 in der Ahr-Region und einer im Raum Trier. Ein Mensch wird weiter vermisst. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Krisenstab-Mitarbeiter des Kreises wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Laut Staatsanwaltschaft sieht der Gutachter die Schuld allerdings nicht persönlich bei den einzelnen Mitgliedern der Technischen Einsatzleitung, sondern «im aufbau- und ablauforganisatorischen Bereich». «Die anwesenden Personen haben alles gegeben – das Führungssystem ließ nur nicht mehr zu», wird der Sachverständige zitiert. Ein «regional-risikospezifiziertes, leistungsfähiges, vollständig entwickeltes Einsatzführungssystem» hätte die Chancen, Menschenleben zu retten, verbessert.
«Das Gutachten legt das Dilemma des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens offen», teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler mit. Einerseits habe es im Landkreis kein ausreichendes Einsatzführungssystem gegeben, andererseits könne der Gutachter keine Aussage darüber treffen, welche Maßnahmen in einem besseren System konkret welche Schäden abgewandt und Menschen gerettet hätten. «Dies gilt es nun juristisch zu bewerten.»
Zunächst werde nun den Verteidigern und der Nebenklage Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, hieß es. Danach erfolge die abschließende Prüfung der Ermittlungen. «Diese Bewertung wird aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Ermittlungen einige Zeit in Anspruch nehmen», teilte die Staatsanwaltschaft mit.