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Dominanz adieu: FC Bayern auf der Suche nach sich selbst

Thomas Tuchel
Bayern-Trainer Thomas Tuchel (l) sieht in der Bundesliga-Saison einen Mehrkampf um die Meisterschaft.

Thomas Tuchel bediente sich nach dem nächsten verpatzten Bundesliga-Hit einiger Formulierungen, die man üblicherweise eher im Abstiegskampf hört. Sein FC Bayern habe Charakter, Stolz und eine Reaktion gezeigt, habe eine Niederlage nicht akzeptieren wollen.

«Deshalb ist das Fazit eher positiv», sagte der Münchner Trainer nach dem 2:2 bei RB Leipzig. Nach «Mia san mia» hört sich das nicht gerade an und der Blick auf die Tabelle macht nach sechs Spieltagen schon klar: Die vergangene Saison war kein Zwischentief, von der absoluten Dominanz ist Abo-Meister Bayern aktuell weit entfernt.

Einen Ehrgeizling wie Joshua Kimmich nervt so etwas richtig, weshalb der Fußball-Nationalspieler deutlich kritischere Worte als Tuchel wählte. «Wir laden sie ein und geben ihnen Futter, um ins Spiel zu kommen», sagte der 28-Jährige. Diese Einladungen seien ein Problem, das sie schon länger verfolge. «Wir haben momentan noch Probleme, gegen die Topteams das über 90 Minuten konstant zu gestalten», meinte Kimmich. Bereits gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen kam der FCB nicht über ein 2:2 hinaus.

Abstand zum Liga-Alltag

Die anstehende Reise nach Kopenhagen in der Champions League dürfte den Bayern ganz willkommen sein, um etwas Abstand zum bescheidenen Liga-Alltag zu bekommen. Natürlich ist Platz drei mit zwei Punkten Rückstand zu Leverkusen nach sechs Spieltagen keine fürchterliche Bilanz, doch es ist eben nicht Bayern-like. Zumal man sich mit dem Statement-Transfer von Harry Kane für 100 Millionen Euro deutlich mehr erhofft hatte.

Der Superstar trifft regelmäßig – so auch in Leipzig – doch Schrecken verbreiten die Bayern gerade nicht. «Der Unterschied zur letzten Saison ist, dass uns die Spiele nicht komplett entgleiten», sagte Tuchel. In Leipzig hatte es schon nach 26 Minuten 0:2 gestanden. Eine Wiederholung der Supercup-Schmach, als die Bayern im eigenen Stadion 0:3 verloren, wurde immerhin vermieden.

Dass der zwölfte Meistertitel nacheinander noch schwieriger werden dürfte als Nummer elf, ahnt Tuchel bereits. Der Trainer erwartet einen Mehrkampf um den Titel, sieht neben Borussia Dortmund auch Leverkusen und Leipzig bis zum Ende oben dabei. «Diese Mannschaften spielen sehr gut, sind gefährlich und erfolgreich», sagte der 50-Jährige. «Wir wollen am Ende vorne sein, die ganze Zeit vorn dabei sein.»

Der Liga kann die Spannung nur guttun. «Ich glaube, da freut sich jeder Fußballfan in Deutschland, wenn es lange eng in der Bundesliga zur Sache geht», sagte Leverkusens Sportchef Simon Rolfes im «Sportstudio» des ZDF. Das hat bereits die vergangene Saison gezeigt, als sich der BVB und die Bayern einen packenden Zweikampf lieferten. Erst am letzten Spieltag zog der Rekordmeister vorbei und gewann die Schale nur aufgrund der besseren Tordifferenz.

Zu langsam und fehlerhaft im Spielaufbau

Die Baustellen, die der Ende März installierte Tuchel zu bewältigen hat, sind nur bedingt kleiner geworden. Zu langsam und fehlerhaft im Spielaufbau war man in Leipzig – mal wieder. Und die Gegentore fielen nach einem Einwurf und einer Ecke, was per se erst einmal nicht schwer zu verteidigen klingt. «Wir haben genug Sachen zu verbessern», mahnte Tuchel.

Wie es um den FC Bayern steht, verdeutlicht wohl die sich anbahnende Rückkehr des 35 Jahre alten Jérôme Boateng am besten. Der Ex-Nationalspieler trainierte am Sonntagvormittag an der Säbener Straße, kam direkt hinter Tuchel auf den Trainingsplatz. Der vereinslose Innenverteidiger hat seit Juni kein Spiel mehr bestritten, war bei seinem Ex-Club Lyon ohnehin eher Bankdrücker als Stammspieler. Es ist noch nicht lange her, da hätten sie bei den Bayern über so eine Verpflichtung nicht einmal im Ansatz nachgedacht.

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