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Mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges standen plötzlich viele Russlanddeutsche und Russlandstämmige unfreiwillig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Täglich tauchen neue Nachrichten und Meldungen über (angebliche) Diskriminierungsvorfälle auf. Viele Vereine und Initiativen unterstützen die betroffenen Menschen dabei, gegen Anfeindungen und Übergriffe vorzugehen. Denn niemand darf aufgrund seiner Sprache oder Herkunft diskriminiert werden.

Unterschiedliche Erfahrungen und fehlender Überblick

Momentan ist es noch schwierig, konkrete Aussagen über die Anzahl oder Ausmaße der Diskriminierungsfälle zu tätigen. Die Situation ist noch zu unübersichtlich. Russlanddeutsche und Menschen aus der russischsprachigen Community berichten von unterschiedlichen Erfahrungen: Einige werden tatsächlich mit unangenehmen Anfragen oder Sprüchen konfrontiert, oder werden pauschal als Putinversteher und Kriegsbefürworter diffamiert. Mancherorts wurden auch Sach- und Eigentumsbeschädigungen gemeldet. Andere haben jedoch bis jetzt noch nichts dergleichen zu spüren bekommen.

Leider treffen Anfeindungen und Diskriminierungen auch diejenigen, die sich mit der Ukraine solidarisieren oder sich für die Menschen im Kriegsgebiet oder für Geflüchtete engagieren. Der Großteil der Gesamtgesellschaft in Deutschland kann zwar wohl differenzieren und versteht, dass nicht jeder, der russische Wurzeln hat oder Russisch als Muttersprache spricht, an dem Krieg in der Ukraine eine Mitschuld trägt. Doch leider gibt es auch Menschen, die nur darauf aus sind, Hass und Hetze zu verbreiten.

Fall oder Fake?

Ein weiteres Problem stellt die große Anzahl an Falschmeldungen über angebliche Diskriminierungen, die gerade in Unmassen verbreitet werden, dar. Jeden Tag werden über Messengerdienste oder auf sozialen Netzwerken unzählige Sprachnachrichten, Bilder, Berichte und Videobeiträge über angebliche Diskriminierung und „Unterdrückung“ von Russlanddeutschen oder Russischstämmigen in Deutschland weitergeleitet. Mittlerweile ist es schwer bis fast schon unmöglich zu unterscheiden, in welchem Fall es sich tatsächlich um Diskriminierung handelt und was leider nichts weiter als ein Fake ist.

Woran erkenne ich Fakes?

Bei WhatsApp wird beim Empfang der weitergeleiteten Nachrichten angezeigt, dass die Nachricht zum Beispiel häufig weitergeleitet wurde. Dies sollte bereist ein Signal sein. Bei begleitenden Kommentaren oder Überschriften, die an Hysterie grenzen oder eine menschenverachtende Sprache erhalten, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Dazu gehören zum Beispiel Inhalte mit (unter anderem ukraine-)feindlichen und pauschalisierenden Aussagen, Begrifflichkeiten aus russischer Staatspropaganda (wie etwa Verharmlosung oder Befürwortung des Krieges), aber auch gezielte Aufrufe zum massenhaften Verteilen, damit „alle die Wahrheit erfahren!“

Die Produzenten von Falschmeldungen werden immer kreativer. Sie sind regelrechte „Götter des Marketings“, denn sie müssen ihre Ware an den „Konsumenten“ bringen. Falschmeldungen enthalten oft bestimmte Slogans oder bedienen sich eines bestimmten Vokabulars. Die Fakes spielen mit emotionsgeladenen Sprüchen und sollen bei den Menschen nicht nur Unsicherheit auslösen, sondern Angst und Panik schüren. Vor allem, wenn es um die Kinder geht, lösen solche Meldungen eine große Empörung bei den Empfängern dieser Nachrichten aus.

Fakes zur Stimmungsmache

Leider können sich Fakes innerhalb kürzester Zeit unkontrolliert verbreiten. Mittlerweile versuchen Initiativen und Aktivisten (Journalisten, Blogger oder einfach nur engagierte Einzelpersonen) dieser Entwicklung entgegen zu wirken und aufzuklären. Doch täglich kommen neue „Fälle“ dazu, die es fast schon unmöglich machen, jedem einzelnen Fall nachzugehen, diesen aufzuklären, oder auch richtigstellen zu können.

Es werden immer mehr Stimmen laut, die davor warnen, auf die stimmungsmachenden Fakes reinzufallen. Diese Falschmeldungen werden gezielt produziert und sollen „unter die Leute“ gebracht werden, um für eine negative Stimmung in der Gesellschaft und für Spaltung zu sorgen. Da die Menschen momentan allgemein verunsichert sind, verfallen viele schnell in Panik und springen auf den Hysterie-Zug auf. Den meisten Personen, die solche Nachrichten zugespielt bekommen und unbedacht weiterleiten, ist oft nicht bewusst, welchen Folgen dieses Verhalten haben könnte.

Die Meldungen, die sich gerade mit einer verheerenden Geschwindigkeit innerhalb der russlanddeutschen und russischsprachigen Community verbreiten, werden oft nicht hinterfragt. Dabei soll man grundsätzlich mit allen erkennbar oder vermeintlich „fabrizierten“ Meldungen mit Vorsicht und Bedacht umgehen. Durch das Verbreiten von Fakes entsteht noch mehr Unsicherheit, weil Menschen gar nicht mehr auseinander halten können, was nun wahr und was eine fabrizierte Lüge ist. Sie teilen das Material oft auch nicht aus böser Absicht, sondern aus eigener Unsicherheit und aufgrund von fehlendem Wissen, welche Auswirkungen diese Fakes haben können. Dabei gilt es vor allem jetzt, jede Meldung kritisch zu hinterfragen und auf ihre Echtheit zu prüfen.

Ein weiteres gravierendes Problem ist, dass die unkontrollierte Verbreitung von Fakes insbesondere wirklich betroffenen Menschen schaden kann. Unter den ganzen Falschmeldungen gehen die tatsächlichen Fälle völlig unter, oder werden gar nicht erst erst genommen. Wer also auf diese Hysteriewelle von angeblichen Diskriminierungen aufspringt, schadet denjenigen, die wirklich Anfeindungen erfahren. Einige Menschen trauen sich momentan auch nicht, sich jemandem anzuvertrauen, weil sie befürchten in eine bestimmte Ecke gedrängt zu werden.

Weiterleiten oder sein lassen?

Wenn man etwas über Messenger oder über soziale Netzwerke weitergeleitet bekommt – zudem noch mit einem direkten Aufruf zur Handlung – fühlt sich vielleicht zunächst hingerissen, das Material teilen zu wollen.

Manche teilen es tatsächlich nur mit ihrem engsten Kommunikationskreis, doch leider wissen wir nie, was mit dem Material, das wir mit anderen teilen, passiert und in welchen Händen es landet. Schon eine einzige weitergeleitete Nachricht kann unzählige Male weitergeschickt werden, ohne, dass wir Wind davon bekommen.

In erster Linie sollte man sich die Frage stellen, ob man unbedingt alles weiterleiten muss, was man über den Tag verteilt zugesendet bekommt. Ist die Versuchung doch so groß, die Unsicherheit aber größer, kann man sich gern in Recherche stürzen. Leider verfügt nicht jeder über ausreichende Kenntnisse, wie man geteilte Meldungen prüfen kann.

Eine der Möglichkeit ist, die Person, die es abgesendet hat direkt zu fragen, woher sie das hat. Ob das aus einer zuverlässigen Quellen stammt, oder derjenigen den angeblich Betroffenen kennt, in welchem Ort das passier sei, usw. Über Faktenfinder auf Google oder durch gezielte Recherche, wird man vielleicht fündig.

Hat mein ein Fake aufgespürt, so kann man sich zum Beispiel auch die Zeit nehmen, um die eigenen Kontakte darauf aufmerksam zu machen. Vor allem, wenn solche Materialien in Gruppen und auf Foren geteilt werden, wo viele Menschen das lesen und teilen können. Da gehört zwar eine ordentliche Portion Mut dazu, doch vielleicht bringt man den ein oder anderen dazu, sein Konsumverhalten und die ununterbrochene Weiterleitung von Materialien zu überdenken.

Ist man sich nicht sicher, ob eine weitergeleitete Meldung tatsächlich der Wahrheit entspricht, sollte man die Finger davon lassen. Denn Falschmeldungen, die mit negativen Aussagen und Emotionen beladen sind, führen zu noch mehr Hass und Hetze.

Was wird als Diskriminierung wahrgenommen?

Der Krieg zwischen Russland und Ukraine drängt Menschen mit russlanddeutschem oder russischem Hintergrund dazu, sich positionieren zu müssen. Befürwortung oder Rechtfertigung des Krieges stoßen in der Gesellschaft auf Gegenwind und Unverständnis. Geht man dabei ins Details, läuft man Gefahr, ein Fass zu öffnen, dass sich nicht wieder so schnell schließen lässt. Wer menschenverachtende oder propagandistische Ansichten heraus posaunt, sich selbst aggressiv verhält oder anderen gegenüber verbal übergriffig wird, darf nicht auf Verständnis oder Toleranz pochen und hoffen.

Die aktuelle Situation stellt eine harte Herausforderung dar, dennoch muss man jeden Fall gesondert betrachten und darf weder pauschalisieren und alles als Putin-Propaganda abstempeln, noch darf man die tatsächlichen Fälle von Diskriminierung verharmlosen. Diese Herausforderung meistert man jedoch sicherlich nicht mit Verbreitung von Fakes und Hysterie, sondern nur im Dialog und in einem versöhnenden Ton.

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