Der Krieg in der Ukraine lässt niemanden kalt. Die Medien berichten seit Tagen von der Lage und den Entwicklungen vor Ort. Die Folgen dieses Krieges zwischen Ukraine und Russland sind aber viel weitreichender, als man zunächst vermuten könnte. Auch in Deutschland bekommen Menschen mit russischem oder russlanddeutschem Hintergrund die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Viele befürchten steigende Anfeindungen und Diskriminierungen aufgrund ihrer Herkunft.
Folgen für Menschen
Der Krieg an sich ist bereits eine große menschliche Tragödie. Kaum ein Mensch kann bei den Bildern, die uns aus der Ukraine erreichen, gleichgültig bleiben. Am härtesten trifft es momentan die Zivilisten in der Ukraine: Frauen, Kinder und Alte. Ukrainer verlassen ihre Häuser, ihre Städte und das Land.
Um das Geschehen des Krieges spinnen sich weitere Netze: Menschen auf der ganzen Welt bekommen die Folgen des Krieges in der Ukraine zu spüren. Ukrainer, die im Ausland wohnen, bangen um das Leben und das Wohl ihrer Familien, Freunde und Verwandten. Die meisten können nur hilflos zuschauen, denn sie haben keine Möglichkeit zu ihren Liebsten fahren oder irgendwie zu helfen.
Trotz der Tatsache, dass Abertausende Russinnen und Russen sich weltweit gegen den Krieg ausgesprochen haben, öffentlich dagegen protestieren, auf die Straßen gehen, steigen vielerorts die Anfeindungen gegen russischstämmige Menschen.
In den letzten Tagen tauchten auch in Deutschland einige Berichte darüber auf, dass selbst Kinder und Jugendliche, die russischer oder russlanddeutscher Herkunft sind, in der Schule auf die Lage in der Ukraine angesprochen werden. Des Weiteren wurden über Messengerdienste zahlreiche Meldungen verbreitet, dass vielerorts russische Geschäfte und Restaurants mit Sprüchen beklebt werden. Leider häuft sich gerade auch die Anzahl von gefälschten Nachrichten, die noch mehr Unsicherheit und Unmut unter den Russlanddeutschen und Russen sorgen. Solche Falschmeldungen verbreiten sich leider wie ein Lauffeuern über Messengerdienste und Soziale Medien.
Um beiden Entwicklungen entgegen zu wirken, haben zahlreiche Organisationen und Initiativen Pressemitteilungen und offene Briefe veröffentlicht, in denen sie dazu aufrufen, die in Deutschland lebenden Russen oder Russlanddeutsche nicht pauschal als Kriegsbefürworter darzustellen. In dieser Zeit sei es wichtiger denn je, zu differenzieren und sich vor Augen zu führen, dass nicht jeder, der aus Russland stammt oder russischer Staatsbürger ist, das Vorgehen des russischen Staates befürwortet. Gleichzeitig wird in diesen Schreiben gemahnt, auf Falschmeldungen und Fakes reinzufallen. Momentan sollte mit jeder Information mit Vorsicht und Bedacht umgegangen werden, um nicht für noch mehr Panik, Hass und Hetze zu sorgen.
„Besucher mit russischem Pass unerwünscht“
Anlass zum Unmut lieferte am Wochenende auch eine Gaststätte in Baden-Württemberg, deren Besitzer auf der Homepage zunächst erklärte, dass Bürger mit russischem Pass unerwünscht seien. Daraufhin hagelte es Kritik, wütende Kommentare bei Instagram und Tausende von Negativbewertungen bei den Google-Rezensionen. Wenig später änderte der Wirt seinen Text und versuchte seinen Standpunkt noch einmal zu erklären, doch die Welle des Unmuts war nicht mehr zu stoppen.
Vorübergehend war die Homepage des Restaurants nicht zu erreichen. Am Sonntag wurde sogar ein Polizeiwagen vor dem Restaurant postiert. Der Wirt schrieb, dass er, seine Familie und seine Mitarbeiter bedroht werden. Zu seinem ursprünglichen Text auf der Homepage und dem Vorfall allgemein hat sich der Besitzer, trotz angeblich mehrfacher Anfragen der Presse, jedoch nicht öffentlich geäußert.
Auch ein Klinikum in München sorgte mit einer Email für Unmut. Aus einem Schreiben an (vermutlich) eine Patientin geht hervor, dass die Behandlung von russischen Patienten ab sofort abgelehnt wird.
Viele befürchten, dass es erst der Anfang sei: In den Geschäften verschwinden russische Waren aus den Regalen. Nach Russland können keine Postsendungen mehr geschicht werden. Es finden kein Flugverkehr mehr von und nach Russland statt.
In die „Expertenrolle“ gedrängt
Besonders hart trifft es diejenigen, die den Krieg tatsächlich ablehnen und sich sogar für die Ukraine sowie die Menschen dort engagieren. In den sozialen Medien tauchen nun regelmäßig Berichte auf, in denen Russlanddeutsche oder auch in Deutschland lebende Russen sich ganz klar gegen den Krieg aussprechen und an die Menschen appellieren, nicht pauschal zu urteilen. Es wird befürchtet, dass diese Situation sich noch weiter verschärfen kann.
Viele fühlen sich auch in eine „Expertenrolle“ gedrängt, nur weil sie aus Russland kommen oder Russisch sprechen. Da wird völlig außer Acht gelassen, dass zum Beispiel viele Russlanddeutsche bereits seit einigen Jahrzehnten in Deutschland leben, und sich mit der Politik ihres ehemaliges Heimatlandes überhaupt nicht identifizieren.
Bereits in der Vergangenheit gab es Situationen, in denen die Medien alle Russlanddeutsche pauschal in eine Schublade gesteckt hat. Nun wehren sich viele russlanddeutsche Bürger gegen diesen Zustand.
Gespaltene Community
Der Krieg in der Ukraine hat auch die russlanddeutsche Community in Deutschland gespalten. Während die einen den Krieg und Putins Politik anprangern, sprechen sich die einen dafür aus. Mittlerweile berichten viele Menschen in persönlichen Gesprächen oder auf ihren Kanälen in sozialen Medien über heftige Streitigkeiten in der Familie, Verwandten- oder Freundeskreis, der durch unterschiedliche Meinungen zum Ukraine-Krieg hervorgerufen wurden.
Organisationen und Ehrenamtliche organisieren deshalb Online-Gesprächsrunden, geben Tipps zur Schlichtung und Verständigung, oder bieten Argumentationshilfen an. Die Kluft zwischen den „beiden Lagern“ wird immer größer und ob dieser Streit je beigelegt werden kann, steht wohl in den Sternen.
In einer Sache sind sich die beiden Parteien zumindest einig: Dass das Leid der einfachen Menschen, die kein Verschulden an politischen Reibereien trifft, schnellstmöglich beendet werden muss.