- Die Anpassung von Solingens Geständnisvideo an den aktuellen taktischen Ansatz von ISIS könnte so vereinfacht werden:
Der Messerangriff in Solingen, der drei Todesopfer forderte, sorgt weiterhin für Unruhen in der deutschen Gesellschaft und ihrer Sicherheitswahrnehmung. Der Islamische Staat (IS) hat nun die Verantwortung für den Vorfall in einem Behauptungsvideo übernommen. Die billig produzierte Aufnahme verwirrt zunächst, passt jedoch perfekt in die jüngste taktische Herangehensweise des IS.
Das Behauptungsvideo sieht billig aus. Eine Person verbirgt ihre Identität mit zwei Küchentüchern, nur die Augen sind sichtbar. Während sie das Westliche verfluchen und dem IS-Anführer die Treue schwören, schwenken sie ein Schwert – das aus Plastik oder Blech zu sein scheint. Im Hintergrund sind Haushaltsgegenstände oder Reinigungsfässer zu sehen. Der Clip wurde angeblich in einem Besenschrank aufgenommen. Obwohl die Authentizität des Videos noch nicht bestätigt wurde, spricht die niedrige Produktionsqualität eine stärkere Sprache, als es den Anschein hat.
Video des Solingen-Angriffs: Treue zum IS schwören
Obwohl terroristische Organisationen wie der Islamische Staat und Al-Qaida oft mit hochwertiger Arbeit in sozialen Medien und Medienvertretung in Verbindung gebracht werden, ist dies nicht immer der Fall bei terroristischen Aktionen, die mit diesen Gruppen in Verbindung stehen. "Der IS führt drei Arten von Angriffen durch: einen organisierten Angriff wie den jüngsten auf die Konzerthalle in Moskau. Dabei werden Menschen rekrutiert, im Ausland trainiert und in das Zielland entsandt, um zuzuschlagen. Der zweite Typ ist ein geleiteter Angriff, wie der, der angeblich für die Taylor-Swift-Konzerte in Wien geplant war. Die Angreifer leben in ihrem Heimatland, nehmen von dort Kontakt mit der terroristischen Organisation auf und werden dann von außen geleitet und beraten", erklärt der Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler in einem Interview mit stern. "Wir haben die dritte Version in Solingen gesehen, einen inspirierten Angriff." Das vollständige Interview finden Sie hier.
Während die ersten beiden Angriffe geplant oder direkt vom IS unterstützt werden, handelt der Angreifer im dritten Fall allein. "Der Angreifer radikalisiert sich ohne Kontakt zum IS, entscheidet sich für einen Angriff und erklärt erst kurz davor seine Loyalität zu den Terroristen", sagt der Experte. Und die Behauptungsvideos werden auch unabhängig produziert und erst nach der Tat auf offiziellen IS-Kanälen wie der Nachrichtenagentur Amaq verbreitet.
Dies würde auch zu den nun veröffentlichten Clips passen: Der mutmaßliche Angreifer, Issa al H., der aus Syrien kam, lebte zuvor in einer Flüchtlingsunterkunft, bevor er sich am Samstagabend der Polizei ergab. Eine hochwertige Videoerstellung ist dort nicht möglich, insbesondere wenn man keine Aufmerksamkeit erregen möchte. Ein Besenschrank und Küchengeräte müssen in einer solchen Situation reichen. In zwei weiteren Clips verzichtet der mutmaßliche Angreifer darauf: Hier filmt eine Person sich selbst beim Spaziergang auf der Straße, wobei ihr Gesicht später pixeliert wird. Die Authentizität dieser Clips wird ebenfalls von der Polizei untersucht. Allerdings behindert das beschädigte Smartphone des mutmaßlichen Angreifers die Ermittlungen.
IS setzt auf Selbstradikalisierung
Dass die Angreifer sich selbst radikalisieren, bedeutet nicht, dass der IS nicht beteiligt ist. "Der IS hat derzeit die fortschrittlichste Propagandamaschine unter den terroristischen Organisationen", erklärt Matthew Olsen, der stellvertretende Generalstaatsanwalt für nationale Sicherheit in den USA. Die Wirksamkeit dieser Strategie wurde bereits wissenschaftlich umfassend bewiesen.
Die terroristische Organisation stachelt gezielt den Hass auf den Westen in Telegram-Kanälen und sozialen Medien an, unterstützt potenzielle Angreifer mit Anweisungsvideos. In diesen gruseligen Tutorials wird nicht nur erklärt, wie man Menschen am effektivsten mit Messern tötet: In einigen werden Gefangene tatsächlich vor der Kamera ermordet. Dies entwöhnt potenzielle Angreifer auch vom Leiden anderer. Bis sie bereit sind, selbst zu töten.
Die niedrige Produktionsqualität des Behauptungsvideos verwirrt zunächst, passt jedoch in die jüngste taktische Herangehensweise des IS. Allerdings behindert das beschädigte Smartphone des mutmaßlichen Angreifers die Ermittlungen.
Die Wirksamkeit der Propagandamaschine des IS wurde wissenschaftlich umfassend bewiesen, wobei gruselige Tutorials auf Telegram und in sozialen Medien potenzielle Angreifer vom Leiden anderer entwöhnen.
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