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DFB zwischen Anspruch und Wirklichkeit: «Ganz bitter»

Bernd Neuendorf
Sorgt sich nicht um die Heim-EM der Männer: DFB-Präsident Bernd Neuendorf.

Dieses Mal stand Bernd Neuendorf nicht im internationalen Flughafen von Doha, sondern vor einer golden anmutenden Zierwand seines wieder krachend bei einer WM gescheiterten Verbandes.

Der Anlass für die Schalte ins ZDF-Nachrichtenstudio war aber der gleiche wie vor fast genau acht Monaten bei der Männer-Endrunde. Mehr als Krisenmanager denn als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes musste der 62-Jährige erklären, wie es nach dem blamablen Vorrundenaus weitergeht, jetzt eben bei den Frauen. Der deutsche Fußball am Boden?

Anspruch und Wirklichkeit

Wie Ende 2022 in Katar bei den Männern traf das Aus der Frauen den Verband unvermittelt. Die K.-o.-Runde war fest eingeplant, mehr noch als bei der männlichen DFB-Auswahl sogar die Teilnahme am Finale. «Ich saß auf gepackten Koffern, wir waren fest davon ausgegangen, dass wir das Achtelfinale erreichen», sagte Neuendorf. «Das ist jetzt leider nicht so, das ist sehr enttäuscht und ganz bitter. Und das ist, ehrlich gesagt, auch nicht unser Anspruch.»

Dieser war einmal Weltklasse in allen Bereichen. Bei den Vize-Europameisterinnen von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg schien der Weg in den vergangenen Monaten bis zum WM-Start richtig. Dann folgten die drei Spiele gegen Marokko (6:0), Kolumbien (1:2) und Südkorea (1:1). «Was bleibt, ist der Schmerz und ein sehr, sehr schwarzer Tag für den deutschen Fußball», sagte die frühere Nationalspielerin Julia Simic in ihrer «ran»-Kolumne.

Die bei der Deutschen Fußball Liga im Unfrieden gegangene einstige Liga-Chefin Donata Hopfen drehte am noch größeren Rad und schrieb im sozialen Netzwerk «LinkedIn», der deutsche Fußball sei «abgehängt und braucht dringend Veränderung – neue Ideen, Offenheit für moderne Impulse und Angänge». Sonst werde aus der Heim-EM der Männer im kommenden Jahr kein Sommermärchen, sondern «ein Sommergrusel». Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme kritisierte in ihrer «t-online»-Kolumne: «Ich sehe strukturelle Probleme, die sich durch die Mannschaft und auch durch den deutschen Fußball ziehen.» Neuendorf sagte im «Heute Journal», es würde zu schnell ausschließlich in Extremen bewertet.

Reaktion und Folgen

So schwer die Situation der beiden Vorzeigeteams des DFB auch vergleichbar ist, die unmittelbaren Maßnahmen des Verbandes sind ähnlich: erst einmal weiter wie bisher. «Wir werden uns zusammensetzen und schauen, welche Schlüsse wir daraus ziehen», sagte Neuendorf, der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg aber – anders als in Katar Bundestrainer Hansi Flick – nur wenige Stunden nach dem Scheitern das Vertrauen aussprach. Der Frauenfußball sei «einer seiner Schwerpunkte».

Nach dem Aus der Männer, das medial mit deutlich drastischeren Worten begleitet worden war, musste Direktor Oliver Bierhoff gehen, Flick durfte nach tagelanger Hängepartie und einem Gipfeltreffen bei Frankfurt/Main bleiben. DFB berief eine «Task Force» mit großen Namen früherer Zeiten ein und infolgedessen Rudi Völler zum neuen Sportdirektor. Geholfen hat das dem Image der DFB-Auswahl bislang nicht, im Gegenteil steht der Bundestrainer nach schwachen Auftritten im Sommer bei den kommenden Länderspielen im September gegen Japan und Frankreich unter großem Druck. Einschneidende Strukturänderungen blieben aus.

Die Frauen spielen ab September neu geschaffenen Nations League um die Olympia-Qualifikation für Paris 2024. Das olympische Fußballturnier hat im Frauenfußball einen deutlich höheren Stellenwert als bei den Männern – das wird auch Voss-Tecklenburg im Hinterkopf haben, die ihren Verbleib beim DFB am Freitag zumindest andeutete. Neuendorf berichtete von einem Telefonat mit der Bundestrainerin nach dem Südkorea-Spiel, «voreilige Schlüsse» gab es nicht.

Voss-Tecklenburg werde «sehr scharf in die Kritik gehen, mit der Mannschaft, mit sich selbst, mit dem Trainerstab», sagte Simic. «Ich glaube, es wird Veränderungen geben, auch personeller Natur. Das Gesicht der Nationalmannschaft wird sich ein bisschen verändern.» Bei den Männern war der große Umbruch ausgeblieben. Neuendorf verwies auf die Erfolge der Juniorenteams im U17- und U19-Bereich. Kritisiert wird bei Männern wie Frauen aber insbesondere die Ausbildung junger Talente.

«Wir lernen es nicht, Entscheidungen zu treffen», schrieb Kemme. «In Deutschland spielen wir strategischen Fußball, geben der Intuition keinen Raum. In der Theorie kennen die Spielerinnen jede Lösungsmöglichkeit, auf dem Platz muss man aber manchmal instinktiv Entscheidungen treffen.» Im Männerfußball fehlen den Kritikern ebenso die sogenannten Bolzplatz-Spieler.

Ausblick und Chancen

Neuendorf räumte zwar ein, der sportliche Erfolg stünde «über allem». Einschneidende Auswirkungen auf die Euphorie bei der Männer-EM im kommenden Jahr befürchtet der DFB-Präsident aber nicht. «Das kann man an verschiedenen Dingen ablesen», sagte er und verwies auf die hohe Bereitschaft der freiwilligen Helfer für das Heim-Turnier. Im Frauenfußball bewirbt sich der DFB gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden um die Ausrichtung der WM 2027, die durch den Weltverband FIFA bereits als Meilenstein für die Gleichberechtigung im Fußball ausgerufen wurde.

Das WM-Aus sei «ein Dämpfer» für die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland, der vom Erfolg bei der EM sehr profitiert hatte. «Generell» lasse sich die positive Entwicklung aber «nicht mehr aufhalten», sagte Neuendorf. Nach der Heim-WM 2011 hatte der Verband nur sehr wenig aus der kurzzeitigen Sommer-Euphorie gemacht, die DFB-Auswahl war im Viertelfinale ausgeschieden.

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