Deutschland sollte die Chancen im Kongo nutzen
China ist mit Abstand der größte Handelspartner der Demokratischen Republik Kongo, aber das Misstrauen gegenüber dem Land wächst. Sollte Präsident Tshisekedis im Amt bestätigt werden, ist dies eine Chance für Deutschland und Europa.
Im Herzen von Kinshasa, der Hauptstadt des Kongo, entsteht ein riesiger Komplex: Die Volksrepublik China baut eine neue Botschaft, die größer sein wird als jede andere Botschaft in dem rohstoffreichen Land. Allerdings spüren die wichtigsten Handelspartner der Demokratischen Republik Kongo deutlich den Widerstand unter dem derzeitigen Präsidenten Felix Tshisekedi: Er verhandelt bilaterale Verträge neu. Am 20. Dezember wird dieses 100-Millionen-Einwohner-Land einen neuen Präsidenten wählen. Dies könnte eine Chance für Deutschland sein.
70 % des weltweit geförderten Kobalts stammen aus zentralafrikanischen Ländern. Peking ist Hauptabnehmer dieses bislang für die Energiewende unersetzlichen Rohstoffs. Auch die reichlich vorhandenen Coltan-, Kupfer- und Lithiumreserven der Demokratischen Republik Kongo werden eine Schlüsselrolle bei der Ermöglichung der Energie- und Verkehrswende spielen. Neben seinen riesigen Rohstoffreserven verfügt das Land über den zweitgrößten zusammenhängenden Regenwald der Welt. Der Kongo ist weltweit einzigartig in seiner Bedeutung für den grünen Wandel.
China hat das Potenzial der kongolesischen Bergbauindustrie erkannt und ist der größte Investor in die kongolesische Bergbauindustrie; 15 der 17 Kobaltminen im Kongo werden (teilweise) von der Volksrepublik China finanziert. 80 % der kongolesischen Rohstoffe werden zur Weiterverarbeitung nach China verschifft. Im Jahr 2022 betrug das gesamte Transaktionsvolumen 21,9 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei 223 Millionen Dollar.
Partnerschaft mit China gerät zunehmend in die Kritik
Grundlage der Partnerschaft zwischen China und dem Kongo ist der 2008 unterzeichnete sogenannte „Jahrhundertvertrag“. Chinas Rohstoffhunger wird durch umfangreiche Produktionskonzessionen gewährleistet. Im Gegenzug hat sich die Volksrepublik China zu einem umfassenden Infrastrukturausbau verpflichtet. Doch nur ein Bruchteil der versprochenen 9 Milliarden US-Dollar für Investitionen in die desolate Infrastruktur im Kongo wurde bisher umgesetzt. Die Regierung spricht von Ausbeutung und verhandelt Verträge neu.
Trotz seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von China ist Tshisekedi, der seit langem in Belgien lebt, kein natürlicher Partner für die Volksrepublik China. Er ist skeptischer als sein Vorgänger Joseph Kabila. Mittlerweile wird die Partnerschaft auch von Zivilisten zunehmend in Frage gestellt, nicht zuletzt weil chinesische Unternehmen die Forderungen der äußerst aggressiven Rohstoffpolitik der kongolesischen Regierung oft ignorieren.
Auch weitere neue Partner engagieren sich im kongolesischen Geschäft. Die Vereinigten Arabischen Emirate bauen derzeit den ersten Tiefseehafen des Landes. Der türkische Präsident Tayyip Recep Erdogan versprach bei einem Staatsbesuch im Jahr 2022 den Bau eines riesigen Finanzzentrums in Kinshasa, das nun kurz vor der Fertigstellung steht.
Versöhnung im Interesse Europas
Die undurchsichtige Wirtschaftsstruktur der Demokratischen Republik Kongo spielt Ländern wie China in die Hände. Allerdings steht der Marktzugang für europäische Unternehmen auch vor Herausforderungen aufgrund komplexer Compliance-Regeln, mangelndem politischen Willen und gut gemeinter, aber schwer umsetzbarer gesetzlicher Vorgaben wie dem Lieferkettengesetz. Angesichts der Schlüsselrolle der Demokratischen Republik Kongo in der Klimapolitik sollte dies jedoch auch in den Augen westlicher Länder zu einer geostrategischen Priorität werden.
Es liegt daher im strategischen Interesse Deutschlands und Europas, die Beziehungen zu schwierigen, aber grundsätzlich prowestlichen Regierungen auszubauen und sich vor Ort der globalen Konkurrenz zu stellen. Nur so kann die Abhängigkeit von China bei kritischen Rohstoffen verringert werden. Eine Ausweitung der staatlichen Exportgarantien wird der nachhaltigen Platzierung deutscher Unternehmen zugutekommen, insbesondere in Hochrisikoländern mit schwachen Institutionen. Die Teilnahme der Demokratischen Republik Kongo an der Initiative „Compact with Africa“ Ende November dieses Jahres ist daher ein echter Versöhnungsversuch.
Für Europa würde die Wiederwahl Tshisekedis nicht nur politische Stabilität für das größte Land Subsahara-Afrikas bedeuten, sondern auch dafür sorgen, dass es zu einem potenziell engen Partner im globalen Wettbewerb mit China wird. Trotz aller Schwierigkeiten und innenpolitischen Herausforderungen steht die wiedergewählte Regierung in weltpolitischen Fragen dem Westen näher als viele andere Länder des Kontinents.
Ideologische Unterschiede spielen im aktuellen kongolesischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Die Präsidenten von mehr als 900 politischen Parteien machen vor allem durch populistische Hetze und Kritik an der Wahlkommission auf sich aufmerksam. Der (neue) Präsident wird am 20. Januar vereidigt, sofern die größte verbleibende logistische Hürde gelöst ist. Hauptgegner Moise Katumbi erfreut sich nur deutlich größerer Beliebtheit als der Amtsinhaber in seiner Heimatstadt Katanga. Daher gibt es kaum Hindernisse für Tshisekedis Wahlsieg. Chancen für Deutschland und Europa, künftig an Einfluss zu gewinnen.
Autor: Jakob Kerstan studiert Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaften und ist seit 2021 Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Außenministerium der Demokratischen Republik Kongo.
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Quelle: www.ntv.de