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Der Gegeneffekt von "friedlichen" Autokorsos

Von Köln bis Bonn, in Berlin, Würzburg, Stuttgart und anderen Städten waren sie unterwegs: Die pro-russischen Autokorsos, die bundesweit für Aufsehen gesorgt haben. Angeblich sollten diese Aktionen als Zeichen gegen Diskriminierung und Anfeindungen gegen russischsprachige und russischstämmige Menschen dienen, beteuern die Organisatoren sowie viele Teilnehmenden. Doch dieser Schuss ging wohl nach hinten los…

Während in der Ukraine die erbitterten Kämpfe andauern und täglich neue Bilder des Schreckens aus den Kriegsgebieten veröffentlicht werden, fuhren in Deutschland durch mehrere Städte Hunderte von Autos mit sichtbar angebrachten Russlandflaggen und kriegsverherrlichenden Symbolen. In Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) waren die Demonstranten nicht mit Autos, sondern zahlreich zu Fuß unterwegs. Besonders befremdlich, dass einige dabei lauthals „Russland vorwärts“ oder „Für Putin“ skandierten. Ein Auftreten dieser Art hatte für viele Beobachter und Außenstehende nur wenig mit „Frieden“ zu tun.

Harte Kritik und Konsequenzen

Auf jede Aktion folgt eine Reaktion – und diese ließ nicht lange auf sich warten. Es hagelte überall harsche Kritik für diese fragliche Art und Weise gegen Diskriminierungen vorzugehen. Das Ganze bauschte sich innerhalb von wenigen Tagen schnell auf und nahm ungeahnte Ausmaße an. So wurde zum Beispiel der Veranstalter des Autokorsos in Berlin ausfindig gemacht und bedroht. Er bekam unzählige Anrufe, seine Autowerkstatt wurde mit negativen Bewertungen überhäuft, ihm und seiner Familie wurde gedroht. In einem Interview sagte der Mann aus, um sein Leben Angst zu haben und es mittlerweile zu bereuen, die Aktion ins Leben gerufen zu haben. Angesichts der Bilder aus Butscha tue ihm das Ganze nun sehr leid. Ähnlich erging es einigen Teilnehmern dieser Autokorsos, die über Fotos und Videos, die überall im Netz kursierten, ausfindig gemacht und massiv bedroht worden sind.

Welle der Empörung

Auch im Internet machte sich der Unmut breit. Man sprach auch von „Autokorsos der Schande”. In Foren und unter Berichterstattungen häuften sich wütende Kommentare. Es entbrannte erneut eine Diskussion darüber, wie gut unter anderem die Russlanddeutschen integriert seien und welche Macht die Inhalte des russländischen Staatsfernsehens auf die Menschen ausübt?

Ob es mancherorts die Vernunft oder doch eher die Angst war, ins Visier der Autokorso-Gegner zu geraten, wurden die Aktionen in einigen Städten, wie zum Beispiel in Heilbronn-Neckarsulm kurzfristig abgesagt. In Frankfurt verlief solch eine Demonstration unter strengen Auflagen des Ordnungsamtes. Statt mit Autos mussten die Demonstranten zu Fuß laufen, bestimmte Symbole, die mit dem Angriffskrieg Russlands in Verbindung gebracht werden könne, waren streng verboten. In Frankfurt bildete sich eine starke Gegendemonstration, die ein deutliches Zeichen dafür gesetzt hat, dass solche Aktionen in einer demokratischen Gesellschaft nicht willkommen sind und nicht einfach stillschweigend hingenommen werden.

Mit Vorsicht zu genießen

Einigen Teilnehmenden war die ganze Tragweite dieser fragwürdigen Autokorsos wohl nicht bewusst. Bei dem Autokorso in Berlin war zum Beispiel zu sehen, dass manche Menschen mit ihrer ganzen Familie, also auch mit Kindern, unterwegs waren. Sie beteuerten friedliche Absichten zu haben und lediglich darauf hinweisen zu wollen, dass sie gegen die, seit dem Krieg aufkommenden Diskriminierungen gegen Russischstämmige sind.

Obwohl die Autokorsos und Demonstrationen nach außen ein sehr befremdliches und für manche sogar beängstigendes Bild abgeben, wäre es dennoch falsch zu behaupten, dass alle Teilnehmenden irgendwelchen extremistischen Gruppierungen angehören oder eingefleischte Putin-Anhänger sind.

Unumstritten erwiesen sich die Autokorsos als der falsche Weg, um gegen Diskriminierung vorzugehen. Die Teilnahme einiger extremistischer Kräfte, rechtspopulistischer Parteien und pro-russischen Organisationen haben diesen Aktionen die entsprechende Auswirkung nach außen verschaffen. Darüber hinaus empfanden es die meisten Menschen als geschmacklos, dass nachdem die grausamen Bilder der Kriegsverbrechen in Butscha veröffentlicht worden waren, in Deutschland so viele Menschen mit Russlandfahnen, Z-Symbolen und Putin-Rufen durch die Straßen gezogen sind. Die Verwendung des Buchstaben „Z“, der zum Symbol der Unterstützung der russischen Armee und der „Spezialoperation“ in der Ukraine wurde, ist in einigen Bundesländern übrigens mittlerweile verboten. Dennoch sieht man immer wieder pro-russische Demonstranten, die sich dieses Zeichens bedienen.

Nicht instrumentalisieren lassen

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind unzählige Falschmeldungen im Umlauf, die zu gewissen Stimmungen innerhalb der russischsprachigen Community sorgen. Unter anderem beinhalten diese Fakes Geschichten über angebliche Diskriminierungen und Anfeindungen gegenüber russischsprachigen Menschen in Deutschland und in ganz Europa. Das schürt bei vielen Menschen, die aus Russland kommen oder Russisch als Muttersprache sprechen, gewisse Ängste und löst Unsicherheiten aus. Bundesweit wurden zwar einige Fälle von Diskriminierung bestätigt, doch die Autokorsos helfen keineswegs dabei, dieser Entwicklung entgegen zu wirken: Ganz im Gegenteil.

Zahlreiche Organisationen, Politiker und Initiativen sprachen sich gegen diese Aktionen aus und warnten die russischsprachigen und russischstämmigen Menschen davor, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und sich dadurch instrumentalisieren zu lassen. Frieden auf der Welt und Respekt für sich könne man nicht mit Verherrlichung eines Krieges und Verharmlosung von Gewalttaten an anderen Menschen berwirken.

Damit die Spaltung nicht noch größer wird, plädieren die Initiativen und Institutionen sowie zahlreiche Vertreter von russlanddeutschen und russischsprachigen Organisationen in Deutschland auf einen Dialog innerhalb der Gesellschaft. Man dürfe nicht alle Teilnehmenden dieser fraglichen Aktionen sofort abschreiben, sondern man müsste versuchen diese Menschen zu erreichen, aufzuklären und herauszufinden, was sie ihrer Denk- und Handlungsweise bewegt. Nur so könnten Lösungsansätze geschaffen werden. Dass diese Veranstaltungen von extremistischen Kräften ausgenutzt werden und somit ein schlechtes Bild auf die in Deutschland lebenden Russlanddeutsche und Russen werfen, muss jedem, der daran teilnimmt, bewusst sein.

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