Die Häufung widriger Wetterbedingungen in den letzten Jahrzehnten hat einer Studie zufolge erheblich zum Rückgang der Fluginsektenpopulationen in Deutschland beigetragen. Ein Forscherteam um Jörg Müller von der Universität Würzburg berichtete in der Fachzeitschrift „Nature“, dass die ausgewerteten Wetterdaten mit einem Rückgang der Insektenpopulationen vereinbar seien. Die Studie löste unter Forschern erhebliche Kontroversen aus.
Die Bewertungen reichten von „ein erheblicher Erkenntnisgewinn“ bis hin zu „Natur hätte es in dieser Form nicht veröffentlichen dürfen.“ Bisher wurden intensive Landwirtschaft, Lichtverschmutzung und zunehmende Flächenversiegelung als Ursachen für den Insektenrückgang vermutet.
Wetteranomalien durch den Klimawandel haben einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Insekten, schlussfolgern Forscher Müller in einem Kurzbericht zur aktuellen Studie. Dabei handelt es sich beispielsweise um warmes, trockenes Wetter im Winter oder nasse und kalte Bedingungen bei Sommerflügen.
Einige Experten können aus dieser neuen Studie interessante Schlussfolgerungen ziehen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wahrscheinlich eine Mischung verschiedener Faktoren für die Insektensterblichkeit verantwortlich ist. Die Forscher stellten fest, dass die intensivierte Landwirtschaft im Vergleich zur Gesamtzahl der Insekten eine besondere Bedrohung für die Artenvielfalt darstellt.
Erneute Analyse früherer Arbeiten
Im Jahr 2017 untersuchte ein Team Caspar. Holman von der Radboud-Universität in Nijmegen, Niederlande, wie eine Analyse von Daten von Krefelder Entomologen ergab ein starker Rückgang der Fluginsektenpopulationen in Teilen Deutschlands. Somit ist die Gesamtmasse von 1989 bis 2016 um mehr als 75 % zurückgegangen. Um nach möglichen Ursachen zu suchen, untersuchten Wissenschaftler die Auswirkungen von Klimafaktoren, landwirtschaftlicher Nutzung und bestimmten Lebensraumfaktoren. Die Analyse lieferte jedoch keine eindeutige Erklärung. Die neue Studie verknüpft diese Erkenntnisse und eigene Untersuchungen der Forscher nun mit Wetterdaten.
Überraschende Beobachtung
Ökologe Müller sagt, er habe im Frühjahr 2022 besonders viele Insekten in Wäldern und Feldern gesehen. Nach Angaben der Universität Würzburg machte ihn das misstrauisch, sodass er den Fall gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität Dresden, der Technischen Universität München und der Universität Zürich untersuchte. Sie fingen Fluginsekten mit in Bayern aufgestellten Netzfallen (Unkomfortfallen), wogen sie im Ganzen und verglichen sie mit Fängen seit 1989.
„Wir stellten fest, dass die durchschnittliche Biomasse fast dem Maximalwert in den Holmann-Studien entsprach“, erklärt Müller nach Angaben der Universität Würzburg. Anschließend analysierte das Forscherteam Holmann erneut und berücksichtigte auch die untersuchten Daten Wetterfaktoren. Das Team stellte fest, dass die Insekten ab 2005 vor allem von widrigen Wetterbedingungen betroffen waren. Allerdings war das Sommerwetter in den Jahren 2021 und 2022 günstig für das Insektenwachstum. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass dies die relativ hohe Insektenbiomasse im Jahr 2022 erklärt.
Kontroverse Debatte
Axel Ssymank vom Bundesamt für Naturschutz sagte, dass die Studie, wie er der Deutschen Presse-Agentur erklärte, „Es gibt viele.“ „Schwerwiegende methodische Mängel.“ Dies sei einer der Gründe, warum „keine Aussage über die relative Bedeutung von Insektenrückgängen aufgrund von Änderungen in der landwirtschaftlichen Nutzung getroffen werden kann.“ Allerdings, wenn es um den Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und dem Klima geht Änderung: „Diese Veröffentlichung hat einen Kernfakt.“
Hans-Peter Piepho, Leiter des Lehrstuhls für Biostatistik an der Universität Hohenheim, kommentierte die Studie: „Auf jeden Fall sollte es nicht gemacht werden.“ . „Aus der Studie lässt sich schließen, dass Wetterphänomene allein den dramatischen Verlust an Insektenbiomasse in Holmans Studie erklären können. Auch wenn Muellers Team einen erheblichen Einfluss des Wetters auf die Insektenbiomasse nachgewiesen hat, bedeutet dies nicht, dass andere Faktoren wie der Einsatz von Pestiziden und andere Faktoren eine Rolle spielen.“ Auch Änderungen in der Landnutzung haben keine nennenswerten Auswirkungen. „
Christoph Scherber vom Leibniz-Institut für Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn kritisierte die Studie und sagte, sie liefere „keine neuen Erkenntnisse“. Das von den Autoren vorgeschlagene Modell sei zu simpel und fehle deutlich wichtige Einflussfaktoren – insbesondere die Landnutzung. „Die Kernaussage der aktuellen Studie ist absolut fatal und hätte in dieser Form von Nature nicht veröffentlicht werden dürfen.“ „
Für Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle/Saler stellt die Studie „einen deutlichen Erkenntnisgewinn“ dar. Er war jedoch der Ansicht, dass bestimmte Aspekte nicht berücksichtigt wurden, darunter der Einsatz von Pestiziden. „Wir kommen nicht umhin, gemeinsam über den Klimawandel, die Landnutzung und den Verlust der biologischen Vielfalt nachzudenken und darauf zu reagieren“, schloss Settele.
Es ist grundsätzlich klar, dass Insektenpopulationen stark vom Wetter abhängig sind, sagt Johannes Steidle, Museum für Zoologie und Veterinärmedizin, Universität Hohenheim. Dennoch glaubt er, dass die Intensivierung der Landwirtschaft die Hauptursache für das Insektensterben ist. „Die aktuelle Studie ändert daran nichts.“