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David Bowie und das plötzliche Ende einer Ära

Popikone David Bowie
Der britische Musiker David Bowie auf der Bühne (1997).

Als sich David Bowie alias Ziggy Stardust gegen Ende seines Konzerts im Londoner Hammersmith Odeon an das Publikum wandte, wussten nicht mal die Mitglieder seiner Band The Spiders From Mars, was der Sänger verkünden wollte. «Von allen Shows auf dieser Tournee wird uns diese am längsten in Erinnerung bleiben», sagte Bowie, «denn es ist nicht nur das letzte Konzert dieser Tour, sondern auch die letzte Show, die wir jemals spielen werden. Danke.»

Das Publikum war an diesem Abend im Juli 1973 genauso entsetzt wie die Musiker, die von Bowies Ankündigung kalt erwischt wurden. «Sie waren schockiert», erinnert sich Bowies Pianist Mike Garson (78) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. Garson war zwar mit auf Tournee, aber kein festes Mitglied der Spiders. Ausgerechnet ihm hatte Bowie als einzigem vorher verraten, dass er sich von der Kunstfigur Ziggy Stardust verabschieden und die Band auflösen werde. Mit Garson wollte er hingegen weiterarbeiten.

Prominente Gäste

Bis dato hatten rund 5000 Zuschauer – darunter Beatles-Drummer Ringo Starr, Mitglieder der Rolling Stones, Sängerin Barbra Streisand und Hollywood-Star Tony Curtis – eine spektakuläre Show im Hammersmith Odeon erlebt, die nach 50 Jahren erstmals vollständig veröffentlicht wird. Nach der Kinopremiere im vergangenen Monat erscheint der restaurierte Konzertfilm «Ziggy Stardust and the Spiders from Mars: The Motion Picture» von Regisseur D.A. Pennebaker zum Jubiläum jetzt auch auf Blu-Ray und DVD, der Soundtrack auf CD, LP und im Stream.

«Es war im Prinzip der Höhepunkt der Tour», erinnert sich Mike Garson an den besonderen Abend. «Die Band ist voll in Schwung, es herrscht eine Kameradschaft und die Musik wird jeden Abend besser. Irgendwann hast du wirklich das Gefühl, du wirst eins damit und hast es drauf. Und dann spielst du in London, Davids Heimatstadt, vor den besten Fans der Welt. Da konnte man die Energie im Raum spüren.» Der New Yorker Avantgarde-Pianist Garson kannte David Bowie gar nicht, bevor er für dessen US-Tournee angeheuert wurde – und darüber hinaus blieb.

Im Hammersmith Odeon stand er in einem schattigen Winkel der Bühne und ist im Film praktisch nicht zu sehen, sondern nur zu hören. Aber Garson hatte schon vor dem legendären Konzert seinen großen Auftritt. Nachdem er nachmittags bei der Probe mit einigen Songs experimentiert hatte, schlug Bowie vor, dass der Pianist die Show damit allein eröffnet. «Ich spürte ein Gefühl von Panik in mir», erzählt Garson. «Aber ich habe es hinbekommen und diese vier Lieder gespielt, bevor die Band rauskam. David hat mir später gesagt, er sei nervöser für mich gewesen als ich selbst. Er war so eine gute Seele.»

Fans in Ekstase

Der Konzertfilm dokumentiert die ekstatische Stimmung in der Halle. Kreischende Fans bejubeln «Space Oddity» oder «Suffragette City». Für drei Songs kam Jeff Beck dazu. Lange fehlte der Gastauftritt auf Bitten der Gitarrenlegende. «Ich glaube, er mochte seine Hose nicht, irgendetwas Verrücktes!» Garson lacht. Andere Gerüchte besagen, Beck sei mit seiner Leistung nicht zufrieden gewesen. Vor seinem Tod im Januar 2023 stimmte er der Veröffentlichung schließlich zu. «Ich bin froh, dass es jetzt drin ist», freut sich Garson, «denn ich jamme am Klavier mit Mick Ronson an der Gitarre und Jeff Beck, zwei der größten Rockgitarristen aller Zeiten. Wie oft erlebt man sowas?»

Die Tage nach dem Konzert bezeichnet er als «schmerzhaft». Das überraschende Band-Aus habe die Mitglieder schwer enttäuscht. «Man hätte es ihnen wahrscheinlich vorher sagen sollen», so Garson, den Bowie als einzigen Musiker der Tournee für sein nächstes Album «Diamond Dogs» rekrutierte. «David war sozusagen fertig mit dieser Ära. Er war eine kreative Seele, die immer weiterziehen musste. Das hat nichts mit Freunden, Persönlichkeit oder Bands zu tun. So war er immer. Manchmal war ich auf einem Album dabei, manchmal nicht, genauso wie alle anderen.»

Abkehr vom Glamrock

Das Ende von Ziggy Stardust war der Beginn des nächsten Kapitels in David Bowies vielseitiger Karriere. War «Diamond Dogs» von 1974 noch stilistisch ähnlich, markierte der Nachfolger «Young Americans» ein Jahr später eine Abkehr vom Glamrock. Es folgten «Station To Station» und Bowies Berlin-Trilogie. Insgesamt wurden es 26 Studioalben. Mike Garson ist auf rund einem Dutzend davon zu hören. Bis zu David Bowies Tod im Jahr 2016 arbeitete der Pianist immer wieder mit ihm zusammen und stand bei geschätzten 1000 Shows mit dem Sänger auf der Bühne.

Dass selbst ein Konzert, das vor 50 Jahren aufgezeichnet wurde, immer noch auf großes Interesse und Begeisterung stößt, wundert Mike Garson nicht. «Davids Musik klang nie nach Oldies, und das wird sie auch nie, weil sie zeitlos ist», sagt der 78-Jährige, der heute in Los Angeles lebt. «Genauso wie Mozart und Beethoven zeitlos sind, Chopin und Strawinsky, Louis Armstrong, John Coltrane oder Miles Davis. Einige der wirklich großen Künstler überdauern die Zeit.»

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