Als Studenten waren Stefan und Theresa beste Freunde, lebten zusammen in einer WG und hatten dieselbe Weltanschauung. Jetzt, 20 Jahre später, könnte der Kontrast zwischen den beiden nicht größer sein: Stefan ist Kulturdirektor einer großen Wochenzeitung in Hamburg, Theresa hat den elterlichen Bauernhof in Brandenburg übernommen. Die beiden Enden einer Schlacht treffen zufällig aufeinander. Anschließend tauschten sich Stefan und Theresa per E-Mail und WhatsApp rege aus.
July Zeh lässt in ihrem Briefroman Zwischen den Welten, den sie zusammen mit Simon Urban geschrieben hat, nur wenige aktuelle gesellschaftliche Themen aus. Es berührt den Klimawandel, den Krieg in der Ukraine, Rassismus, Gender und #MeToo.
Schnell wird klar, dass die unterschiedlichen Lebensmuster von Stefan und Theresa auch ihre Einstellung zu grundsätzlichen Themen beeinflussen. Stefan, ein 46-jähriger alleinstehender Journalist, sieht sich als Aufklärer und Weltverbesserer: „Journalisten sind in Zeiten von Verschwörungstheorien, Rassismus, Sexismus und Pro-Russentum diejenigen, die Gesellschaft und Fakten zusammenbringen Binder. In der Redaktion schließt er sich mit jüngeren Kollegen zusammen, um über „weiße Vorherrschaft“ oder „intersektionalen Feminismus“ zu diskutieren. Er sagte: “Jeder, der bei uns saß, ist aufgewacht, hat den Finger am Puls der Zeit und weiß, was relevant ist, was die Leute denken.”
Für Theresa – 43 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder – das ist alles Das ist zu theoretisch und geht am eigentlichen Thema vorbei: „Irgendwie spielst du in deiner kleinen Blase ein Spiel, das dich nur berührt und mit der Realität verwechselt.“ Sie selbst kämpft über sich selbst von Bio-Milchviehbetrieben um ihre Existenz. Mangelnde Subventionen, Bürokratie und politische Vergessenheit lasteten auf ihnen und vielen ihrer Nachbarn in einer Region, in der fast 30 Prozent der Bevölkerung rechtspopulistische Parteien wählten. “Man kann hier mit niemandem über Literatur oder Weltpolitik reden. Aber die Leute stehen mit beiden Beinen auf dem Boden.”
Zeh, SPD-Mitglied und ehrenamtlicher Richter, mischte sich ebenfalls ein Debatte. In Interviews äußerte sie beispielsweise ihre Sorge, dass die Gesellschaft gespalten sein könnte. Im April gehörte sie zu den Ersten, die einen offenen Brief unterzeichneten, in dem sich prominente Persönlichkeiten gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aussprachen und vor dem Dritten Weltkrieg warnten.
Was ihr neues Buch betrifft, so scheint die Autorin Teresas Haltung näher zu sein. Vor allem der gebürtige Bonner Zeh lebt seit vielen Jahren auf einem Dorf im Havellland. Auch ihr Bestseller Unterleute (2016) und der Corona-Roman Über Menschen (2021) spielen in der Provinz Brandenburg.
Zeh hat verschiedene Vor- und Nachteile zu “Between Worlds”. Aktuelle Fragestellungen werden gesammelt und miteinander verglichen. Wer dieses Buch liest, wird sich auf die Argumente aller Seiten konzentrieren können – aber nur mit Ausdauer und guten Absichten. Verteilt auf 480 Seiten wurde der E-Mail- und Chat-Austausch mühsam.
– Juli Zeh und Simon Urban: Between Worlds, Luchterhand-Verlag, München, 480 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-630-87741-9.