Verstaatlichung - Berlin übernimmt das Fernwärmenetz von Vattenfall
Nach Strom und Wasser geht nun Berlins nächstes wichtiges Versorgungsnetz in die öffentliche Hand: Wie beide Parteien am Dienstag bekannt gaben, übernimmt der Senat den Fernwärmesektor vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall. Laut CDU-Finanzsenator Michael Evers wird die Übernahme das Land rund 1,6 Milliarden Euro kosten. Der Kaufpreis basiert auf einem Unternehmenswert von knapp 2 Milliarden Euro.
Die Übernahme erfolgt über ein staatliches Finanzunternehmen. Sie erhält nach Angaben des Finanzsenators Eigenkapital aus dem Landeshaushalt und ein Darlehen der Investitionsbank Berlin (IBB), das der Senat mit einer Landesgarantie absichern will. „Der Senat wird dem Repräsentantenhaus im ersten Quartal 2024 ein Finanzierungskonzept mit allen Einzelheiten zur Genehmigung als Nachtragshaushalt vorlegen“, kündigte Evers an.
Mit der Übernahme testete der Senat auch das Berliner Erdgasnetz, das derzeit von der Privatgesellschaft Gasag betrieben wird. Vattenfall gewährte dem Senat eine Option zum Kauf seiner Gasag-Aktien. Die Schweden besitzen etwa 31,6 % der Gruppe. Nach eigener Aussage hofft der Senat, im nächsten Jahr prüfen zu können, ob Berlin diese Option wählen wird.
Berlins Bürgermeister Kai Wegner sprach über den historischen Tag Berlins. „Wir bringen die Hitze nach Hause, wir bringen die Hitze zurück zur Berliner Regierung“, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD).
Kritiker wiederum werfen die Frage auf: Bindet sich Berlin an ein Unternehmen, das vor allem fossile Brennstoffe produziert und in den nächsten zwei Jahrzehnten einen kostspieligen Umbau durchlaufen muss? Diese Skepsis beschränkt sich nicht nur auf die Geschäftswelt. „Mit der Übernahme des Wärmenetzes geht Berlin große finanzielle Risiken ein“, sagte Alexander Schirp, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Berlin-Brandenburg (UVB).
„Gleichzeitig übernimmt die Stadt die Verpflichtung, ihr Wärmenetz innerhalb weniger Jahre klimaneutral auszubauen. Dafür sind milliardenschwere Investitionen nötig.“ Diese Summe werde den Kaufpreis bei weitem übersteigen.
„Wir gehen diesen Weg, weil wir trotz der notwendigen Investitionen davon ausgehen, dass das Unternehmen profitabel sein wird“, sagte Giffey. Diese Investitionen seien auch entscheidend, wenn Berlin sein Ziel der Klimaneutralität ernst nehmen wolle. Ein wichtiger Baustein ist die Überführung der Energie- und Versorgungsnetze in staatliches Eigentum.
Wie der Senat am Dienstag mitteilte, erfordert dies einen integrierten Netzausbau, insbesondere Fernwärme- und Gasnetze. Das Land wird künftig auf die Unterstützung der Gasag und ihrer weiteren Anteilseigner Eon und Engie angewiesen sein.
Doch was haben die Berliner durch den Kauf eines Fernwärmenetzes? Finanzsenator Evers sagte, die wichtigste Verpflichtung sei die Versorgungssicherheit. Hinzu kommt ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele – das schwarz-rote Ziel lautet Klimaneutralität bis 2045.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist eine faire Preisgestaltung, die nicht auf den Renditen privater Bewerber basiert. „Die Berliner Regierung als Eigentümer ist der verlässlichste Garant dafür, dass es hier nicht zu Preistreiberei kommt.“
Vattenfall überlässt die Fernwärme in guten Händen, sagte Christian Barthélémy, CEO der Vattenfall GmbH in Deutschland.
Mitte 2021 hatte die damalige rot-grüne Landesregierung das Stromnetz von Vattenfall für rund 2,14 Milliarden Euro übernommen. Die Wasserversorgung der Hauptstadt ist seit langem in öffentlicher Hand.
Vattenfall kündigte im Mai 2022 an, sein Fernwärmegeschäft für 1,4 Millionen Wohnungen in Berlin zu überprüfen. Der Berliner Senat bekundete daraufhin Kaufinteresse und beteiligte sich am Ausschreibungsverfahren von Vattenfall, das Anfang Dezember 2022 startete. Ende Oktober dieses Jahres begannen der Senat und Vattenfall exklusive Verhandlungen.
Vattenfall will sich von fossilen Brennstoffen verabschieden und hat sein Fernwärmegeschäft in Berlin auf den Prüfstand gestellt. Doch die endgültige Entscheidung über den Verkauf fiel erst ganz zum Schluss. Das Unternehmen kündigte kürzlich eine 200-Millionen-Euro-Investition in das Netzwerk an. An der Reuters West Station werden Industriewärmepumpen und neue Dampfturbinen installiert.
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Quelle: www.stern.de