Selfies mit Jungstar Mathys Tel waren nach Mitternacht beim Bankett im feinen Teamhotel des FC Bayern ein extrem nachgefragtes Motiv bei den Münchner Edelfans.
Schon zuvor hatte es der famose Franzose im Parken Stadion mit emporgereckten Armen sichtlich genossen, wie die mitgereisten Anhänger hinter dem Tor, in das er in der 83. Minute perfekt eingesetzt von Thomas Müller das Siegtor zum 2:1 (0:0) gegen den FC Kopenhagen erzielt hatte, lautstark seinen Namen skandierten und ihn als Matchwinner feierten.
Trainer Thomas Tuchel konnte nach dem nächsten erfolgreichen Comeback des deutschen Rekordmeisters in der Champions League gerade mal drei Tage nach dem 2:2 im Bundesliga-Topspiel bei RB Leipzig «den unglaublichen Schub» loben, den seine Joker – allen voran der alte Müller (34) und der junge Tel (18) – in die energische Schlussphase gebracht hatten.
Mega-Parade von Ulreich
Dank des Happy Ends durch die Tore von Jamal Musiala (67.) und Tel sowie einer grandiosen Parade von Torwart Sven Ulreich tief in der Nachspielzeit konnte Tuchel dem Sechs-Punkte-Start in der Champions eine deutlich positivere Deutung geben. «Mentalität, Antworten und Reaktionen auf dem Platz stimmen im Moment», resümierte der 50-Jährige zufrieden: «Wir fühlen gemeinsam, dass wir solche Spiele in der letzten Saison noch abgegeben haben.»
Alles gut also? Mitnichten. Es kann nicht der Anspruch des FC Bayern sein, ob in Europa oder im Liga-Alltag, erst in Rückstand liegend wie nach dem Tor der Dänen durch Lukas Lerager (56. Minute) das Gaspedal voll durchzutreten. «Jetzt müssen wir mal schauen, dass wir nicht erst das 0:1 kriegen», mahnte darum Nationalspieler Musiala, der mit einer energischen Einzelleistung beim Ausgleichstor die späte Wende im Parken einleitete.
Es ist weiterhin nicht klar erkennbar, welchen Fußball die Tuchel-Bayern genau spielen wollen. Trotz ausgebauter Rekordserien – 36 Gruppenspiele seit 2017 ungeschlagen, 15. Gruppenspiel am Stück gewonnen – fehlen noch zu oft Dominanz und Souveränität. «Wenn man den FC Bayern von A bis Z glänzen und Ballett spielen sehen will, kann man auch was kritisieren», räumte Königsklassen-Veteran Müller ein. Dann folgte ein Aber: «Es gab auch schon zu allen Zeiten, ob Triple-Saison oder sonst was, schwierige Begegnungen.»
Breiter Bayern-Kader
Immerhin gibt der dünne Kader, der defensiv mit dem vereinslosen Trainingsgast Jérôme Boateng aufgefüllt werden könnte, in der Offensiv-Abteilung so viel Qualität auch in der Breite her, um jedes Spiel mit frischen Kräften wenden zu können. «Wir haben Topenergie von der Bank bekommen, das Spiel war dann das gefährlichste und zwingendste. Es geht nur so. Wir können nicht mit elf Spielern unsere Ziele erreichen», referierte Tuchel zufrieden.
Der wieder auf eine größere Spielrolle drängende Müller warb hinterher in den Stadion-Katakomben mit Nachdruck für sich – und als Fürsprecher des jungen Offensiv-Juwels Tel. In Kopenhagen war es nicht 100-Millionen-Mann Harry Kane, sondern der Youngster, der schon zum dritten Mal in dieser Saison hereinkam und spät ein spielentscheidendes Tor machte.
«Man sieht, er will Tore machen. Das ist auch eine super Eigenschaft», sagte Müller über den sechsfachen Saison-Torschützen Tel, dem in manchen Angriffsaktionen freilich noch ein Tick Übersicht fehle. «Aber wenn du unbedingt Tore machen willst, musst du manchmal auch den Kopf unten haben», äußerte Müller.
Tel erinnert an Arjen Robben
Er erinnerte sogar an einen Münchner Königsklassen-Finalhelden. «Wenn wir uns an Arjen Robben erinnern, da haben wir auch manchmal gedacht, okay, jetzt hätte er den Nebenmann sehen müssen. Arjen war aber so aufs Tor fokussiert – und das hat ihm viele Tore beschert.» Darum lautete in der dänischen Nacht Müllers Ratschlag an Tel: «Der Mathys soll weiter sein Ding machen und viele Abschlüsse suchen mit seiner Abschlussstärke.»
Tel drängt in den Fokus – und auch Müller will sich nicht mit einer Rolle als Helfer von der Bank abfinden. Ausgelassen bejubelte er seine klasse Torvorbereitung. Verspürte er da Genugtuung? «Genugtuung ist ein großes Wort. Aber die Freude ist groß», sagte Müller. «Ich bin ganz normaler Kaderspieler und will Minuten sammeln. Ich will aber nicht nur einfach Minuten sammeln, sondern spielen, weil ich überzeugt bin, dass ich der Mannschaft mit meinen Stärken helfen kann», warb Teilzeitkraft Müller für mehr Thomas-Müller-Spiele.
«80 Prozent» des Tel-Tores schrieb Torwart Ulreich dem energischen Vorbereiter Müller zu. Tuchel nannte es normal, dass der unverwüstliche Müller «mit den Hufen scharrt», um mehr zu spielen: «Thomas hat darauf gebrannt, das Spiel noch zu drehen. Er ist superfleißig. Die Energie und Ausstrahlung hat man bei ihm gesehen. Er ist ein fester Bestandteil von uns.»