Der FC Bayern München hat eine sportlich bemerkenswerte Antwort auf den großen Krach um seinen Kapitän Manuel Neuer gegeben.
Der Nationaltorwart hatte an diesem Wochenende massiv die Clubführung kritisiert und die schlug vereint mit Trainer Julian Nagelsmann sofort zurück. Nur die Mannschaft zeigte sich unbeeindruckt vom Wirbel und eroberte am Sonntagabend durch ein 4:2 (3:1) beim VfL Wolfsburg wieder die kurzzeitig verlorene Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga.
Zwei Treffer von Kingsley Coman (9./14. Minute) sowie ein Kopfballtor des neuen Münchner Rekord-Feldspielers Thomas Müller (19.) erzielten schon in weniger als 20 Minuten einen Wow-Effekt. Dass das Bayern-Spiel danach an Tempo und Schärfe verlor, nutzte der Wolfsburger Jakub Kaminski kurz vor der Halbzeit zum 1:3 (44.).
Kimmich sieht Gelb-Rot
Nach der Pause drohte die Partie sogar zu kippen. Nationalspieler Joshua Kimmich sah in der 54. Minute nach einem unnötigen Foul an Maximilian Arnold die Gelb-Rote Karte. Micky van de Ven und Mattias Svanberg (50.) hatten schon vorher die große Chance zum 2:3 für den nie aufsteckenden VfL. Ridle Baku scheiterte nach einer Stunde freistehend aus kurzer Distanz (61.). Das rächte sich aus Wolfsburger Sicht, als Jamal Musiala in Unterzahl zum 4:1 traf (73.). Der Treffer von Svanberg (81.) brachte den Münchner Sieg nicht mehr in Gefahr.
Einer der Sieger dieses Spiels dürfte auch Nagelsmann sein. Zwar drehte sich Neuers Attacke in der «Süddeutschen Zeitung» und dem internationalen Sportportal «The Athletic» um die Trennung von seinem engen Freund und Torwarttrainer Toni Tapalovic («Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen»). Doch sie provozierte auch die Frage, ob der aktuell verletzte Torwart so etwas auch bei einem Pep Guardiola, Jupp Heynckes oder einem anderen Trainer als dem teamintern nicht mehr unumstrittenen 35-Jährigen gewagt hätte.
Nagelsmann fand jedoch den richtigen Umgang mit dieser nach drei sieglosen Bundesliga-Spielen auch sportlich pikanten Situation. Auch er kritisierte Neuer vor dem Anpfiff bei DAZN («Hätte das Interview nicht gegeben»). Der Trainer fand dabei jedoch ausgleichendere Worte als Vorstands-Chef Oliver Kahn («Wird weder ihm als Kapitän noch den Werten des FC Bayern gerecht») und Sportvorstand Hasan Salihamidzic («Hat seine persönlichen Interessen hier über die Interessen des Clubs gestellt»).
Nagelsmann ändert System
Vor allem ließ Nagelsmann seine Mannschaft anders als noch beim überzeugenden 4:0-Pokal-Erfolg beim FSV Mainz 05 in dem von ihr bevorzugten 4-2-3-1-System auflaufen. Leroy Sané durfte auf dem Flügel statt im Zentrum agieren, Jamal Musiala wieder auf der Zehner-Position.
Für Vereinsikone Müller fand sich auch noch ein Platz – diesmal als Mittelstürmer anstelle des erkrankten Eric Maxim Choupo-Moting (Magen-Darm). Der 33-Jährige bestritt in Wolfsburg sein 427. Bundesliga-Spiel und ist nun zusammen mit Gerd Müller der Feldspieler mit den meisten Erstliga-Einsätzen in der Geschichte des deutschen Rekordmeisters. Nur die Torhüter Sepp Maier (473) und Oliver Kahn (429) waren noch häufiger dabei.
Ein anderes Münchner Problem neben dem zwischenzeitlichen Leistungsabfall nach einer halben Stunde war die nach acht Verletzungen und Erkrankungen qualitativ stark ausgedünnte Bank. Nach Serge Gnabry wechselte Nagelsmann in Unterzahl zunächst nur noch vergleichsweise unerfahrene Spieler wie Josip Stanisic und Mathys Tel ein.
Doch der Platzverweis für Kimmich schärfte eher wieder die Sinne der Bayern, als dass er dem Spiel eine Wende gab. Der 17 Jahre alte Tel vergab in der 64. Minute die große Konterchance zum 1:4. Musiala erhöhte dann nach einem traumhaften Solo. Kurz nach dem Wolfsburger Treffer durch Svanberg zählte das vermeintliche 3:4 von Yannick Gerhardt wegen eines Foulspiels von Baku nicht.