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Bachs Spiel auf Zeit: Die IOC-Session und die Russland-Frage

Thomas Bach
IOC-Präsident Thomas Bach bei der Sitzung der Exekutive in Mumbai.

Auf den bunten Bildern aus Indien wirkt Thomas Bach ziemlich entspannt. Der IOC-Präsident spielt mit Kindern Kricket, hinterlässt bunte Handabdrücke auf einer Werbewand und genießt im Korbstuhl einen Fußballabend im Stadion von Mumbai.

Vor der am Sonntag beginnenden Generalversammlung seines Internationalen Olympischen Komitees in der indischen Metropole machte Bach kurz Pause von heiklen Themen wie der Russland-Frage, die wohl auch bei der 141. IOC-Session nicht aufgelöst wird.

«Zum passenden Zeitpunkt», heißt es stets, werde der Ringe-Zirkel über das Thema entscheiden, das den Weltsport seit Monaten spaltet. Dürfen Sportlerinnen und Sportler aus Russland und seinem Unterstützer Belarus trotz des Angriffskriegs in der Ukraine an den Sommerspielen in Paris teilnehmen oder nicht? Er hoffe, dass Athleten «aus aller Welt» im nächsten Jahr bei Olympia dabei sein können, sagte Bach jüngst einem Forum internationaler Athleten. 

Affront aus Russland

Offiziell aber taucht die Sache nicht auf der Tagesordnung der dreitägigen Session in Mumbai auf. Dabei gibt es durchaus Gesprächsbedarf nach einem Affront aus Wladimir Putins Reich. Russlands Olympisches Komitee (ROC) hat vor kurzem die vier annektierten ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk als Mitglieder aufgenommen. Die Ukraine sieht darin eine Verletzung der Olympischen Charta, Bach kündigte laut Branchendienst «insidethegames» eine Prüfung der Angelegenheit an. 

Dazu erreichte die Ringe-Organisation auch eine Millionenforderung aus Russland. Wegen des Krieges hat das IOC den Anteil der Russen an den olympischen Marketing-Einnahmen vorerst einbehalten. Das ROC will die Auszahlung nun mithilfe der Behörden in der Schweiz, wo das IOC seinen Sitz hat, erzwingen. Es gehe um rund acht Millionen Euro, rechnete ROC-Generaldirektor Wladimir Senglejew vor. 

Den Kurs des IOC aber dürfte auch dieser Streit nicht ändern. Dass unlängst das Internationale Paralympische Komitee den Komplett-Bann gegen Russland aufhob und einen Start unter neutraler Flagge und ohne Hymne erlaubte, durfte der Dachverband als weiteren Schub für seine Politik werten. «Wir sind von den vielen internationalen Verbänden ermutigt, die bereits internationale Wettbewerbe und sogar Weltmeisterschaften nach unseren Empfehlungen ausgerichtet haben», teilte der Dachverband mit. 

Einzelsportler, die als neutrale Athleten ohne sichtbare Verbindung zu Russland oder Belarus und ohne Bezug zum Militär ihrem Sport auf den größten Bühnen nachgehen – das ist die Vorstellung von Bachs IOC. «Nicht politisieren» solle man die Entscheidung, mahnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ganz im Sinne des IOC. «Natürlich kann es keine russische Fahne bei den Paris-Spielen geben, da herrscht, glaube ich, Konsens. Russland ist als Land nicht willkommen zu einer Zeit, wenn es Kriegsverbrechen begangen und Kinder verschleppt hat», sagte Macron der Zeitung «L’Equipe». 

IOC spielt auf Zeit

Höchst umstritten ist die Russland-Causa vor allem in Europa. Das erfuhr zuletzt auch die Europäische Fußball-Union UEFA bei der Wiederzulassung russischer Juniorenteams. Weil sich ein Dutzend Verbände weigerte, gegen Russlands Nachwuchs anzutreten, kann die russische U17 doch nicht in die bereits laufende EM-Qualifikation einsteigen.

Doch in der weiten olympischen Welt ist diese Ablehnung nicht mehrheitsfähig. Der Deutsche Olympische Sportbund habe zur Kenntnis nehmen müssen, mit seiner Haltung gegen eine Starterlaubnis für Russen und Belarussen «als eines von weltweit 206 Nationalen Olympischen Komitees einer Minderheit im internationalen Sport» anzugehören, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert bei «tagesschau.de». 

Eine Reihe internationaler Verbände, darunter auch olympische Herzstücke wie Schwimmen und Turnen, haben bereits ihre Türen wieder geöffnet und ermöglichen so Russen und Belarussen auch die Erfüllung der Qualifikationskriterien für Paris. Die Gruppe der Weltverbände um die Leichtathletik, die Sportler aus beiden Ländern weiter aussperren, schrumpfte in den vergangenen Monaten stetig. In der großen Frage der Zulassung für Paris 2024 aber spielt das IOC weiter auf Zeit.

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