Alles ist Nagelsmann um die Ohren geflogen.
Die deutschen Fußballer beenden ein desaströses Länderspieljahr mit einer äußerst schlechten Leistung. Der Versuch, die Stimmung aufzuhellen, ging in Wien gegen Österreich nach hinten los. Der Bundestrainer ist verzweifelt.
Julian Nagelsmann spürt schon vor dem Spiel in Wien den Druck. Die deutsche Fußballnationalmannschaft soll gegen Österreich ein gutes Ergebnis erzielen. Und natürlich eine gute Leistung. Der Bundestrainer beschreibt sein inneres Gefühl als "Muster und Musterdruck". Der deutsche Fußballer möchte, dass die deutschen Fans mit einem guten Gefühl in das Jahresende gehen, dass im nächsten Jahr alles gut wird. Die heimische Europa League soll Europas Demokratien heilen (so will es Turnierdirektor Philipp Lahm) und einfach nur Spaß machen, aber trotzdem ein Sommermärchen sein.
Kleiner Spoiler: Die Mission ist kläglich gescheitert. Deutschland hat sich blamiert. Nicht, dass man gegen Österreich nicht verlieren kann. Aber so funktioniert das nicht. Der Deutsche Fußballbund und sein Trainer haben das Jahr mit einer hektischen Diskussion beendet: Kann diese Mannschaft es nicht besser machen? Der Trainer gab eine erste Antwort: "Die Mannschaft ist nicht befreit. Wir sind abseits des Platzes nicht mehr dieselbe Einheit. Wir waren nicht voller Selbstvertrauen und das ist die Wahrheit."
Der Auftritt im Wiener Ernst-Haapen-Stadion war wegweisend für die kommende Debatte. Sie werden der Nationalmannschaft nicht auf die Schulter klopfen. Zu desaströs waren die Forderungen der deutschen Spieler an die Auswahl von Ralf Rangnick. Das Duell ging dank der Tore von Marcel Sabitzer (29.) und Christoph Baumgartner (73.) mit 0:2 (0:1) verloren. Das war nicht nur verdient, sondern auch die beste Nachricht des Abends. Die Gastgeber können gestärkt und hoffnungsvoll in das Turnier gehen, das muss man ihnen zugestehen. Bei Österreich stimmten die Leidenschaft und der Plan. Professor Rangnick brauchte nicht besonders raffiniert zu sein, um Deutschland zu demontieren. Der Ball wurde hoch geschlagen und wir kamen schnell hinter die letzte Kette. Dort schienen Mats Hummels und Antonio Rüdiger immer wieder überfordert zu sein. Es gab keinen Druck im Aufbauspiel, keine Lösung im Aufbauspiel. Puh.
"Aber wenn wir den Ball lächerlich verlieren ......"
An einem kalten Herbsttag stehen die deutschen Fußballer wieder einmal vor dem Dilemma einer schwachen Abwehr. Ein unlösbares Problem? "Die Stärken der Mannschaft sind Spielkontrolle und Angriffsfußball", sagte der Trainer. "Wenn wir aber, wie in der ersten Halbzeit, lächerliche Ballverluste haben, müssen wir viel verteidigen - und genau da haben wir Probleme. Wir spielen zu langsam, zu uninspiriert." Alert! "Ich versuche, aus der Opferrolle herauszukommen, aber es hilft nicht", gab ein angeschlagener Nagelsmann erneut zu. Alarm! "Wir haben besorgte Fans und ein kritisches Medienumfeld. Aber es geht darum, dass die Spieler akzeptieren, dass sie sich nicht mit ein paar Tritten aus der Affäre ziehen können. Wir müssen härter arbeiten. Wir müssen uns von der Tatsache lösen, dass alle große Fußballer sind, aber wir müssen emotional und mental an die Sache herangehen."
Während sie bei der Niederlage gegen die Türkei am vergangenen Samstag in Berlin 20 wertvolle Minuten aus dem Eröffnungsspiel herausgeholt haben, gab es dieses Mal keine. Doch Pessimismus steht dem Bundestrainer nicht: Das Spiel in Wien hat 90 Minuten lang gezeigt, was man in Zukunft besser nicht tun sollte. Es ist jetzt genug Zeit, um die Dinge zu klären. Bis März werden wir nicht mehr gemeinsam Fußball spielen. Das bedeutet auch: Bis März wird sich an der Situation der Mannschaft nichts ändern. Für einen so ehrgeizigen Trainer wie Nagelsmann muss das ein beängstigendes Szenario sein. Er wird flankiert von Expertengremien, die dem DFB-Team kaum eine Chance geben werden. Noch ist das, wie der Manager sagt, das "best case scenario". Denn das bedeutet: Die Mannschaft wird noch Emotionen auslösen.
Vielleicht kommt es aber auch anders. Die Nationalmannschaft könnte nun bald aus den Köpfen der deutschen Fans verschwinden. Das wäre noch dramatischer. Denn in dem verzweifelten Ringen um den Wiederaufbau der Mannschaft wäre der emotionale Abgang der Sargnagel gewesen. Jede Leihgabe scheint verloren zu sein. Sie wollen, dass er durch Spitzenleistungen zurückkommt. Doch die sind noch Mangelware. In diesem Jahr sind es noch elf Spiele. Alles begann vor fast einem Jahr mit dem Desaster von Katar gegen Peru bei der Weltmeisterschaft. Es endete mit einem 2:0-Sieg. Das Ergebnis war insofern einzigartig, als es das einzige Spiel war, in dem keine Tore fielen. Zu diesem Zeitpunkt war Hans Frick noch Trainer der Nationalmannschaft. Zwei weitere Erfolge folgten. Unter Interims-Nationaltrainer Rudi Völler herrschte eine kathartische Stimmung (2:1 gegen Frankreich). Das erste Spiel unter Nagelsmann war eine überraschende Leistung gegen die USA (3:1).
Wie die Türken und die Österreicher...
Rudi Voller, einmal mehr Sportdirektor des DFB, weiß, wie fragil die Situation ist und hat eine klare Ansage an die Spieler gemacht. Es ist ein Mantra, das immer und immer wieder wiederholt wird, ob es in den Köpfen der Spieler hängen bleibt? "Nur wenn wir das machen, was die Türken und die Österreicher gemacht haben, können wir eine tolle Europameisterschaft spielen und die Leute zu uns zurückholen: Wir machen fünf Prozent weniger in unseren Vereinen und mehr hier", betonte der Verbindungsmann. Die Menschen. Die Mannschaft wird nur dann auf hohem Niveau konkurrenzfähig sein, wenn "jeder doppelt so hart arbeitet". "Wir müssen fünf bis zehn Prozent unserer Begeisterung, Energie und Dynamik ins Spiel bringen, sonst wird es schwierig."
Aber darüber hinaus gibt es wenig. Wenig Mut, viel Verzweiflung. Keine Stabilität, kaum Emotionen. Mit Ausnahme von Leroy Sane, der seit Monaten in guter Form war. Doch sie landeten im falschen Kanal. Er war nach der Pause so emotional, dass er sich von der Wut mitreißen ließ. Eine rote Karte und eine Sperre von zwei Spielen könnten angebracht sein. Für einen Patienten, der dringend eine Heilung braucht, ist ein Rückfall das Schmerzhafteste, was passieren kann.
Es hat auch Nagelsmann getroffen, der sich sogar mit der Statistik auseinandersetzen muss, dass sein Start im DFB noch schwächer war als der von Ribbeck, der immer noch als Synonym für eine sehr dunkle sportliche Ära gilt. Dieses Kapitel wird vielleicht bald neu geschrieben werden müssen. Heute wie damals wird die Nationalmannschaft plötzlich von Spielern bevölkert, von denen man zum Teil noch nie etwas gehört hat. Robert Andrić gab in Wien sein Debüt, der 40. Spieler, der in diesem Jahr für die Mannschaft spielte. Immerhin machte er seine Sache sehr gut und wurde für weitere Tests als Teil der Abwehrsechs empfohlen.
Die Experimentierfreudigkeit war heuer ein großes Thema. Zu groß für Fricker, der im September flog. Mit Blick auf die Heim-Europameisterschaft drehte sich alles um die Schichten, die Konsistenz und die Spielzüge. Doch davon war keine Spur zu sehen. Das hat Nagelsmann auch versucht. Gegen Österreich ließ er Joshua Kimmich draußen, das zweite Fehlen der Mannschaft in 73 Spielen mit Bayern München. Er sagte, er wolle mehr Abwechslung ins Spiel bringen. Kleiner Spoiler: Der Plan ist gescheitert. Kapitän Ilkay Gündoğan hat zwar hart gearbeitet, aber es fehlt ihm noch immer an Dominanz in der Mannschaft. Und Leon Goretzka, der das Problem eigentlich schon beheben sollte, machte einen guten Job, aber seine offensive Dominanz ging in einem giftigen Kampf gegen den Ball völlig unter. Pascal Grosse überzeugte auf der US-Tour als Teil der 'Sixers', musste aber gegen die Türkei und Österreich auf der Bank Platz nehmen.
"Wir haben uns für einen Weg entschieden".
"Man zwingt einer Mannschaft keine Idee auf, man schaut, was für Spieler man hat", verteidigte sich Nagelsmann gegen Kritik an seinen Plänen. "Dann schaut man, mit welchen Lösungen man es besser machen kann. Wir haben uns für einen Weg entschieden - auch in Absprache mit der Mannschaft - und haben in allen Spielen das Gleiche gespielt, nur mit zwei oder drei Änderungen in der Startaufstellung."
Wie sehr sich Nagelsmann bemüht hat, den richtigen Plan zu finden, kann man an Kai Havertz sehen. Gegen die Türkei wurde er als Linksverteidiger aufgeboten. Erst später wurde erklärt, dass er als 10er mit Joker-Einsatz (oder so) aufgestellt wurde. Gegen Österreich wiederholte der Trainer sein Experiment, stellte aber klar, dass er nicht wollte, dass es so interpretiert wird. Die Spieler von Arsenal erhalten im Laufe des Spiels immer wieder neue Anweisungen. Und es gibt immer wieder neue Rollen. Kritiker werden dies zum Anlass nehmen, um den Vorwurf zu erheben, die Ideen des Trainers überforderten die Mannschaft. Julian Nagelsmann spürt den Druck, besonders nach diesem Spiel. Frage der Presse: "Bereuen Sie schon, dass Sie den Job angenommen haben?" Nagelsmann: "Nein, ich bereue es nicht, ich genieße es."
Quelle: www.ntv.de