Alle "relevanten Daten" im Fall Tengelmann wurden gelöscht?
Es gibt eine überraschende Wendung im Fall des Verschwindens von Ex-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Daten, die für die Untersuchungen gegen Haubs Bruder relevant sein könnten, scheinen gelöscht worden zu sein.
Die Geschichte des Verschwindens von Tengelmann-Milliardär Karl-Erivan Haub bekommt eine weitere Facette. Seit April ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen Christian Haub, den jüngsten Bruder des Vermissten. Der Verdacht: Er habe das Kölner Landgericht in Verbindung mit der Sterbeurkunde bezüglich Hinweisen auf den Verbleib seines Bruders getäuscht. In einem Interview mit der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ) sagte Mark Binz, Anwalt von Christian Haub, dass "alle relevanten Daten" bereits "auf ausdrücklichen Wunsch der Familie von Karl-Erivan Haub" vor zwei Jahren gelöscht worden seien.
Der Fall von Karl-Erivan Haub beschäftigt die Behörden seit Jahren. Haub, damals einer der reichsten Männer Deutschlands, kehrte im April 2018 nicht von einer Skitour am Matterhorn zurück. Trotz intensiver Suchaktionen im Gletschergebiet blieb er verschollen. Im Mai 2021 erklärte das Kölner Landgericht Haub offiziell für tot. Die Umstände seines Verschwindens blieben jedoch mysteriös, und es wurde gemunkelt, dass der Vermisste Kontakte zum russischen Geheimdienst und Oligarchen mit Verbindungen zur Geldwäsche hatte.
Laut Recherchen der RTL-Journalistin Liv von Boetticher zeigen Fotos angeblich den Vermissten im Jahr 2021 in Moskau. Die aktuellen Ermittlungen gehen auf eine Strafanzeige von Boetticher gegen Christian Haub wegen Falschaussage zurück. Darauf hin reichte Christian Haub eine Gegenanzeige gegen die Journalistin wegen "beabsichtigter falscher Beschuldigung" ein.
Momentan wird untersucht, ob Christian Haub und seine Mitarbeiter wissentlich Hinweise auf den aktuellen Aufenthaltsort ihres Bruders verschleiert haben. Der eigene Sicherheitschef des Unternehmens steht dabei besonders im Fokus – die Staatsanwaltschaft hatte eine Durchsuchung seiner Wohnung angeordnet, bei der mindestens ein Laptop beschlagnahmt wurde, dessen Inhalt nun von besonderem Interesse ist. Offenbar weigern sich Christian Haub und seine Mitarbeiter, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Wer hat die Löschung der Daten angeordnet?
In einem Interview mit WAZ sagte der Anwalt von Christian Haub, dass die Staatsanwaltschaft seinem Mandanten und ihm mitgeteilt habe, dass die Ermittlungen "jahrelang dauern könnten – offenbar, um Druck auf den Sicherheitschef auszuüben, das Passwort für den beschlagnahmten Laptop preiszugeben, auf dem jedoch angeblich nichts Relevantes zu finden sei". Die Daten seien "um endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen" gelöscht worden.
Die Aussagen des Anwalts werfen mehrere Fragen auf. Darunter, wann und von wem der Sicherheitschef angewiesen wurde, die Daten zu löschen. Es könnte auch relevant sein, ob die Daten zur Recherche des Verschwindens von Karl-Erivan Haub ausschließlich auf Datenträgern des Unternehmens des Sicherheitschefs gespeichert waren. Und schließlich bleibt die Frage, warum der Sicherheitschef angewiesen wurde, die Daten zu löschen – wenn, wie Christian Haub und sein Anwalt behaupten, keine Hinweise auf das Fortbestehen von Herrn Karl-Erivan Haub existierten.
Christian Haub und sein Anwalt sowie Katrin Haub, die Witwe von Karl-Erivan, und ihr Anwalt reagierten nicht auf eine entsprechende Presseanfrage. Die Staatsanwaltschaft in Köln teilte mit, dass die Ermittlungen weiterlaufen. Weitere Details, einschließlich des Status der Ermittlungen oder spezifischer Ermittlungsschritte, können nicht preisgegeben werden, da dies die ordnungsgemäße Durchführung der laufenden Ermittlungen behindern oder gefährden könnte. Die Unschuldsvermutung für den Beschuldigten wird explizit betont.
Die Familie von Karl-Erivan Haub äußerte ihren Wunsch nach Löschung aller relevanten Daten bereits vor zwei Jahren. Trotz Ermittlungen gegen Christian Haub scheinen andere Daten, die potenziell für den Fall hilfreich sein könnten, ebenfalls verschwunden zu sein.