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Sozialdemokraten rügen die FDP und nehmen Scholz ins Visier.

Vergrößerung der Reizflächen innerhalb der SPD.

Lindner ist für viele in der SPD der Gegner. Und Scholz?
Lindner ist für viele in der SPD der Gegner. Und Scholz?

Sozialdemokraten rügen die FDP und nehmen Scholz ins Visier.

Olaf Scholz drängt seine Minister zu strikten Haushaltsverhandlungen. Die SPD-Mitglieder sind besorgt über das Beharren des Kanzlers auf Sparmaßnahmen: Lässt er sich von Christian Lindner und der FDP führen? In der Partei wächst die Frustration.

Historische Ereignisse sorgen oft für Albträume. Das erleben derzeit viele SPD-Mitglieder, die sich mit Vorsicht an die vorweihnachtlichen Nächte erinnern. Im Jahr 2023 verhandelten Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bis zum frühen Morgen über den Nachtragshaushalt 2024. Die daraus resultierenden harten Haushaltskürzungen waren für die SPD-Abgeordneten schmerzhaft. Auch sie mussten sich innerhalb des von den Koalitionsspitzen vorgegebenen engen Rahmens komplexen und harten Haushaltsberatungen stellen. Ein ähnliches Szenario zeichnet sich bei den Verhandlungen für den nächsten Haushalt ab. Die Spannungen in der SPD-Fraktion nehmen zu.

Im vergangenen Jahr musste die Regierungskoalition nach einem wichtigen Verfassungsgerichtsurteil 17 Milliarden Euro gegenüber dem Haushaltsentwurf für 2024 einsparen. In dieser Woche wurde die Schätzung der zu erwartenden Steuereinnahmen für das kommende Jahr bekannt. Sie deuten auf einen Rückgang von rund 22 Milliarden Euro hin, mehr als manche erwartet hatten. Die von Lindner genannten Einsparungsziele von 25 bis 30 Milliarden Euro erscheinen vor diesem Hintergrund unzureichend.

Zumal einige Ressorts statt Kürzungen Mehrbedarfe angekündigt haben. Dazu gehört das SPD-geführte Bundesverteidigungsministerium, das von Boris Pistorius geführt wird. Scholz selbst hat ihn ins Amt gehoben und ihn mit der Erneuerung der Bundeswehr bei gleichzeitiger Hilfe für die Ukraine beauftragt.

Lindners Vorgehen und der Einfluss von Scholz

Diese Woche richtete die SPD Kritik an Lindner. Lindner lehnt eine Öffnung der Schuldenbremse und zusätzliche Einnahmequellen wie Steuererhöhungen oder Subventionsabbau ab. Statt den Ministerien Sparvorgaben zu diktieren, solle Lindner "seiner Verantwortung gerecht werden und überlegen, wie er die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen kann", sagte der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf zu ntv.de. Klüssendorf, Sprecher der Parlamentarischen Linken, setzt sich seit langem für zusätzliche Einnahmen ein, etwa durch eine Superreichensteuer. Er warnte: "Weitere Kürzungen bei der sozialen Infrastruktur, der inneren Sicherheit oder der Entwicklungsarbeit wären fahrlässig."

Der Bochumer Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer ist da direkter: "Die SPD wird diesen Sparkurs niemals akzeptieren." Scholz müsse "Stellung beziehen", sagte Schäfer dem Magazin Stern. Auch der SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff sagte: "Mir gehen die phantasievollen Ideen aus, wie man unter den jetzigen Bedingungen einen verantwortungsvollen Haushalt aufstellen kann." Er forderte mehr Investitionen im Land. Diese starken Worte aus einer typisch unterstützenden SPD-Fraktion könnten auf eine Verschiebung der Machtverhältnisse hinweisen.

Scholz' Satz, "Schwitzen ist angesagt", wenn es um die Vorbereitung des kommenden Haushalts geht, hat viele in der Fraktion schockiert. Hat nicht Entwicklungsministerin Svenja Schulze Kürzungen von fast einer Milliarde Euro bei einem reduzierten Etat von 11,22 Milliarden Euro für dieses Jahr zugestimmt? Hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nicht auf Druck der FDP die Sanktionen beim Bürgergeld verschärft, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen und die Zahl der Leistungsempfänger zu senken? Hat Scholz nicht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Unterstützung bei der Aufrüstung der Streitkräfte und der Unterstützung der Ukraine zugesagt, "so lange es nötig ist"? Wirft Scholz den SPD-Bundesministern ernsthaft vor, bisher nicht engagiert genug gewesen zu sein?

Wahrscheinlich nicht. Diese Ankündigung könnte ein Zeichen an Lindner und die FDP gewesen sein, dass Scholz die vereinbarte Sparpolitik weiter unterstützt. Im Gegenzug könnten die Freien Demokraten ihre Blockadehaltung beim Rentenpaket II aufgeben. Unabhängig davon ist die Folge eine erhebliche interne Unzufriedenheit. Die Spannungen beschränken sich nicht nur auf die Bundespolitik, sondern wirken sich auch auf die Landesregierungen aus, die von der starren Schuldenbremse und der wirtschaftlichen Lethargie, einschließlich sinkender Steuereinnahmen, betroffen sind.

Der Juso-Vorsitzende und Chef der SPD-Jugendorganisation, Philipp Türmer, äußerte sich in einem Interview mit ntv.de frustriert: "Die ideologischen Barrikaden der FDP scheinen jeden Sinn für verantwortungsvolle Politik verdrängt zu haben." Er erwarte, "dass ein sozialdemokratischer Kanzler den kleinsten Koalitionspartner nicht so leichtfertig davonkommen lässt, und die SPD muss einen nachhaltigen Haushalt aufstellen." Türmer kritisierte den Finanzminister: "Statt bei der Rente, dem Bürgergeld oder der für die Außenpolitik wichtigen Entwicklungspolitik zu sparen, sollte der Finanzminister gerügt und zum Umdenken gezwungen werden: Dieser unselige Sparkurs muss aufgegeben werden."

Bislang haben sich die politisch Verantwortlichen nicht getraut, den Regierungschef so offensiv zu konfrontieren, wie es die Juso-Vorsitzenden in der SPD traditionell mit Kanzlern tun. Doch auch wenn die elektrisierende Rede des Kanzlers auf dem Bundesparteitag im Dezember ihm viel Anerkennung einbrachte, hat sich bereits Unmut breit gemacht. Das gilt vor allem für den linken Parteiflügel, der Scholz schon immer mit Misstrauen begegnet ist. Auf dem Parteitag hatte die linke Flanke der SPD versucht, das Programm mit Forderungen wie der nach einer Vermögenssteuer in eine progressivere Richtung zu lenken. Der Bundeskanzler macht sich diesen Richtungswechsel der SPD jedoch nicht zu eigen.

Auch das Argument der SPD für eine Reform der Schuldenbremse wird von Scholz kompromittiert. Diese Auffassung teilen auch die Vorsitzenden Lars Klingbeil, Saskia Esken und Generalsekretär Kevin Kühner. Doch Scholz äußert diese Forderung nur selten. Er beharrt auf der Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbremse und erweckt den Anschein, dass sie nicht geändert werden kann. In seinen Diskussionen über Steuer- und Finanzfragen scheint Scholz eher mit dem FDP-Chef als mit seinen eigenen Kollegen einig zu sein.

Scholz verfügt derzeit über die seltene Fähigkeit, Sozialpolitiker, Ökonomen und Unternehmer gleichzeitig zu verärgern, indem er auf Haushaltsbeschränkungen beharrt. Der Grund für ihre Unzufriedenheit ist immer ein Mangel an Finanzmitteln. Wie ntv berichtet, arbeitet die SPD-Bundestagsfraktion nun an Haushaltsmanövern, die mehr Flexibilität im Haushalt schaffen könnten. Während Steuererhöhungen mit der FDP schwer durchsetzbar sind, könnten Optionen wie die Kürzung der Ukraine-Hilfe oder der Verteidigungsausgaben machbar sein.

Daher ist die Unterstützung der CDU/CSU entscheidend, um diese Anpassungen zu ermöglichen. Allerdings kann die CDU/CSU dieses Thema nicht einfach ignorieren, denn auch sie fordern eine stärkere Aufrüstung und ein entschlosseneres Eintreten für die Ukraine. Auf der anderen Seite befinden sich die Schwesterparteien mitten im Wahlkampf - Europawahlen, Landtagswahlen im Osten und die Bundestagswahl im nächsten Jahr. Das erschwert CDU und CSU die Überwindung ihres Unmuts über die Verwaltung des Sondervermögens durch die Ampel.

Ein erheblicher Teil der 100 Milliarden Euro Sonderschulden fließt in die Tilgung von Zinsschulden und in Ersatzbeschaffungen und nicht wie vorgeschrieben ausschließlich in Investitionen. Das erweckt den Eindruck, dass sie getäuscht wurden. Zudem hat die CDU die Schuldenbremse kürzlich in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen. Die Konservativen müssen sich fragen, wie sie im Falle einer Regierungsübernahme all ihre ehrgeizigen Versprechen einlösen wollen.

Der Vorschlag von Scholz, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, zeigt, wie sehr Wahlerwägungen nicht nur die CDU/CSU, sondern auch die Ampelparteien beeinflussen. Seine entschlossenen Äußerungen waren eine dringend benötigte Erleichterung für müde SPD-Mitglieder, aber sie haben ihn finanziell nicht belastet; die Finanzierung höherer Löhne liegt bei seinen Bundesministern und nicht bei ihm selbst.

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Quelle: www.ntv.de

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