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Zahl der Erdbebenopfer steigt, aber noch immer Erfolge

Erdbebenkatastrophe - Antakya
Mitglieder eines britischen Rettungsteams suchen im türkischen Antakya nach Überlebenden.

Vier Tage nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet entdecken Helfer noch immer Überlebende unter eingestürzten Häusern.

Trotz der eisigen Kälte in der Katastrophenregion hörten die Einsatzteams immer wieder die Laute Verschütteter, die verzweifelt auf Hilfe warteten, berichtete eine Reporterin des staatlichen Fernsehsenders TRT World am Morgen. «Wir machen weiter, bis wir sicher sind, dass es keine Überlebenden mehr gibt», zitierte sie einen Sprecher der Einsatzkräfte.

Und tatsächlich berichten türkischen Medien immer noch von «unglaublichen Überlebensgeschichten»: So wurde in der Provinz Kahramanmaras laut der Nachrichtenagentur Anadolu nach 89 Stunden die fünfjährige Mina lebend aus dem Schutt geborgen. In der Provinz Hatay schaffte es die zweijährige Fatima nach 88 Stunden unter Trümmern mithilfe ihrer Retter ins Freie. In Gaziantep fanden Helfer den 17-jährigen Adnan nach 94 Stunden lebend. Er sagte anschließend, er habe seinen Urin getrunken, um nicht zu verdursten.

Die Hoffnung schwindet

Nach so langer Zeit noch lebende Verschüttete zu bergen, gleicht aber nahezu einem Wunder. Nur in seltenen Fällen überlebt ein Mensch mehr als drei Tage ohne Wasser, zumal bei eisigen Temperaturen.

Die Zahl der Toten in beiden Ländern steigt daher rasant weiter, bis zum frühen Freitagmorgen auf insgesamt 21.000 Opfer. Nach Angaben von Vizepräsident Fuat Oktay sind in der Türkei inzwischen 17.664 Tote zu beklagen. Die Zahl der Verletzten lag bei 72.879. In Syrien wurden bislang mehr als 3300 Tote gefunden. «Es gibt hier keine Familie, die nicht betroffen ist», sagte ein Mann, der in Kahramanmaras dabei half, Gräber auszuheben.

Oktay dankte allen Helfern. 75 Länder weltweit hätten Teams entsandt, sagte der Vizepräsident. Mehr als 8000 Verschüttete wurden bislang gerettet. Experten befürchten aber, dass noch Zehntausende Erdbebenopfer unter den eingestürzten Gebäuden liegen könnten.

Flaggen auf halbmast

Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben der Stärke 7,7 das Grenzgebiet erschüttert. Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,6 in der Region. Wegen der Katastrophe sollen die Flaggen an den obersten Bundesbehörden in Berlin und Bonn heute auf halbmast hängen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete die Trauerbeflaggung an.

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Die Europäische Union sprach den Menschen in der Türkei und Syrien ihr Beileid aus und stellte weitere Hilfe in Aussicht. «Unsere Gedanken sind bei den Familien, die ihre Geliebten verloren haben, und bei denjenigen, die immer noch auf Neuigkeiten warten», hieß es in einem von EU-Ratschef Charles Michel veröffentlichten Brief an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das Schreiben war beim EU-Gipfel in Brüssel von allen 27 Staats- und Regierungschefs unterschrieben worden.

Milliardenhilfe von der Weltbank

Die Weltbank kündigte an, der Türkei Unterstützung in Höhe von 1,78 Milliarden US-Dollar (1,65 Milliarden Euro) zur Verfügung zu stellen. Damit sollen die Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen vorangetrieben werden, wie die Weltbank in Washington erklärte. Es sei zudem eine rasche Schadensbewertung eingeleitet worden, um das Ausmaß der Katastrophe abzuschätzen und vorrangige Bereiche für die Unterstützung des Wiederaufbaus zu ermitteln.

Die Bundesregierung arbeitet mit daran, die Versorgung der Menschen im schwer erreichbaren Nordsyrien zu verbessern. Das Problem sei, dass die Regierung und ihre Truppen zuletzt keine humanitäre Hilfe in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land gelassen hätten, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im WDR-Radio.

Humanitäre Hilfe besonders in Syrien benötigt

Der einzige Grenzübergang Bab al-Hawa war schon vor dem Erdbeben eine wichtige Lebensader für rund 4,5 Millionen Menschen im Nordwesten des Landes, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert werden. 90 Prozent der Bevölkerung waren dort bereits vor der Katastrophe nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Region leben Millionen Menschen, die durch Kämpfe in Syrien vertrieben wurden. «Die Menschen sind mit einem Alptraum nach dem anderen konfrontiert», sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hilft laut Vorstandssprecher Thorsten Schäfer-Gümbel ebenfalls in der türkischen Erdbebenregion. Er sagte dem «Mannheimer Morgen»: «In der Region um Gaziantep arbeiten wir schon seit einigen Jahren, unterstützen syrische Geflüchtete und aufnehmende Gemeinden. Diese bestehenden Strukturen können wir jetzt nutzen, um den Menschen vor Ort in ihrer Notlage schnell zu helfen.» Dazu gehörten etwa psychosoziale Unterstützung und warme Mahlzeiten.

Präsident Erdogan ließ gestern vom Parlament in Ankara den Ausnahmezustand für drei Monate bestätigen. Das Dekret wurde im Amtsblatt veröffentlicht – damit ist der Ausnahmezustand in Kraft. Die Maßnahme umfasst die zehn Provinzen, die auch vom Erdbeben getroffen wurden. Erdogan hatte gesagt, der Ausnahmezustand werde helfen, gegen diejenigen vorzugehen, die «Unfrieden und Zwietracht stiften». So könnten zum Beispiel Plünderungen verhindert werden.

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