Lange rangelten Bund und Länder um ein neues, günstiges Ticket für den Nahverkehr in ganz Deutschland. Die Finanzierung ist jetzt auf dem Weg. Aber allmählich drängt die Zeit, um offene Punkte zu klären.

Bundestag

Knapp drei Mona­te vor dem ange­streb­ten Start schwelt wei­ter Streit über prak­ti­sche Fra­gen beim 49-Euro-Ticket für Bus­se und Bah­nen. Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Vol­ker Wis­sing ver­tei­dig­te erneut die geplan­te elek­tro­ni­sche Form des neu­en bun­des­wei­ten Ange­bots. Ein digi­ta­les Ticket bedeu­te nicht, dass man immer ein Han­dy brau­che — das kön­ne es auch als Chip­kar­te geben, sag­te der FDP-Poli­ti­ker am Don­ners­tag bei der ers­ten Bera­tung über die vor­ge­se­he­ne Finan­zie­rung im Bun­des­tag. «Wir brau­chen in Deutsch­land kein Spar­buch, um Geld abzu­he­ben. Und wir brau­chen kein Papier­ti­cket, um Bus oder Bahn zu fah­ren.» Die Oppo­si­ti­on monier­te zahl­rei­che unge­klär­te Punkte. 

Wis­sing warb für das «Deutsch­land­ti­cket», das «ein Mul­ti­ta­lent» sein wer­de. Es stär­ke kli­ma­freund­li­che Mobi­li­tät, erhö­he die Attrak­ti­vi­tät des öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs (ÖPNV) und ent­las­te Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. Geschaf­fen wer­de zudem der Ein­stieg in einen inter­mo­da­len Ver­kehr mit der Kom­bi­na­ti­on ver­schie­de­ner Ver­kehrs­mit­tel, der digi­tal gesteu­ert wer­de. Der Minis­ter wies Ein­wän­de zurück, dass das Ticket nur in der Stadt etwas brin­gen wür­de und in länd­li­chen Regio­nen nichts. Da die Fahr­prei­se auf dem Land höher sei­en, sei dort auch die Ent­las­tungs­wir­kung durch das Ticket deut­lich höher als in Städten.

Wis­sing brach­te einen Gesetz­ent­wurf zur Finan­zie­rung des künf­ti­gen Ange­bots ins Par­la­ment ein. Dem­nach will der Bund von 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Mil­li­ar­den Euro zusätz­lich geben, um Ein­nah­me­aus­fäl­le bei Ver­kehrs­an­bie­tern zur Hälf­te aus­zu­glei­chen. Für die ande­re Hälf­te sol­len die Län­der auf­kom­men. Das Ticket soll zum Ein­füh­rungs­preis von 49 Euro im Monat zum 1. Mai star­ten und an das belieb­te 9‑Eu­ro-Ticket aus dem Som­mer 2022 anknüp­fen. Vor­ge­se­hen ist ein digi­tal buch­ba­res, monat­lich künd­ba­res Abo. Zu dem Ent­wurf fol­gen im Bun­des­tag wei­te­re Aus­schuss­be­ra­tun­gen, zustim­men muss dann auch noch der Bundesrat. 

Union gibt dem Minister eine Vier minus

Von der Oppo­si­ti­on kam Kri­tik. Für die Uni­on sprach Micha­el Donth (CDU) von einer prin­zi­pi­ell guten Idee, aber schlech­ter Umset­zung. «In der Schu­le gäbe es wahr­schein­lich die Note Vier minus.» So sei die Finan­zie­rung bis Jah­res­en­de gesi­chert, danach sei der Umgang mit mög­li­chen Mehr­kos­ten aber unklar. Donth wies auch dar­auf hin, dass nicht alle Bus­un­ter­neh­men Lese­ge­rä­te für Chip­kar­ten hät­ten. Unklar sei­en zudem die Ein­nah­men­ver­tei­lung unter den Ver­kehrs­un­ter­neh­men und eine mög­li­che Anrech­nung auf Semes­ter­ti­ckets von Studierenden. 

Wolf­gang Wieh­le (AfD) kri­ti­sier­te die Plä­ne als «49-Euro-Murks». Das Ticket nut­ze denen, die schon einen guten Nah­ver­kehr hät­ten. Es sor­ge aber nicht für neue Lini­en, Geld für den Aus­bau flie­ße statt­des­sen in das ver­bil­lig­te Ange­bot. Zudem wer­de das Geschäft etwa von Fern­bus­sen und Fern­zü­gen kan­ni­ba­li­siert. Der Lin­ke-Abge­ord­ne­te Bernd Riex­in­ger sag­te, das Ticket gehe in die rich­ti­ge Rich­tung, sei aber noch lan­ge kei­ne Mobi­li­täts­wen­de. Wenn kein Geld nach­ge­schos­sen wer­de, sei­en Preis­er­hö­hun­gen beim 49-Euro-Ticket zudem jetzt schon programmiert.

Ticket zunächst auch in Papierform

Die SPD-Fach­po­li­ti­ke­rin Doro­thee Mar­tin ver­tei­dig­te dage­gen die Plä­ne, die für «die größ­te Revo­lu­ti­on im Nah­ver­kehr seit Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik» stün­den. Der Preis von 49 Euro sei für vie­le Men­schen attrak­tiv und güns­ti­ger als der Groß­teil der heu­ti­gen, nur regio­nal gel­ten­den Abos. Um den Zugang am Anfang zu erleich­tern, sol­le das Ticket zunächst auch in Papier­form ange­bo­ten wer­den. Ziel sei in einem nächs­ten Schritt auch ein bun­des­wei­tes Studierendenticket. 

Ber­lins Ver­kehrs­se­na­to­rin Bet­ti­na Jarasch (Grü­ne) sprach von einer Chan­ce auf eine nach­hal­ti­ge Ver­än­de­rung. Die­se gebe es aber nur, wenn das güns­ti­ge Ticket mit einer «Sanie­rungs- und Aus­bau­of­fen­si­ve für das deut­sche Schie­nen­netz» ver­bun­den wer­de. Ziel müs­se sein, den Ver­kehr von der Stra­ße auf die Schie­ne zu ver­la­gern und es immer mehr Men­schen zu ermög­li­chen, ihr Auto ste­hen zu lassen.

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Titelbild: Bernd von Jutrczenka/dpa

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