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Nagelsmann weiß, was das DFB-Team nicht braucht

Der Wandel des Nationaltrainers

Julian Nagelsmann ist der jüngste Trainer, der jemals an einer EM-Endrunde teilgenommen hat.
Julian Nagelsmann ist der jüngste Trainer, der jemals an einer EM-Endrunde teilgenommen hat.

Nagelsmann weiß, was das DFB-Team nicht braucht

Ein Jahr ist vergangen, und es scheint unmöglich gewesen, jetzt ist Wirklichkeit: Die deutsche Fußballnationalmannschaft ist in der K.o.-Runde des Heim-Europameisterschafts. Viele Faktoren haben dazu beigetragen, insbesondere Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Lange Zeit hatten wir das nicht mehr gesehen: Ein Bundestrainer, vollkommen abgespalten von der Tribüne in die Luft. Der späteste 1:1 gegen die Schweiz am Sonntagabend war nicht nur das Stadion in Frankfurt am Main aufgeweckt, sondern scheint auch Julian Nagelsmann geweckt zu haben. Die Fernsehaufnahmen zeigen ihn, wie er an seiner eigenen Ersatzbank laufend nach dem Tor von Niclas Füllkrug stürmt. Kürzlich danach gab er einem Interview bei der ARD, seine Stimme war noch rau.

Seit sechs Tagen sind diese ungewöhnlichen Bilder vergangen. Abends spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Dänemark in Dortmund das Achtelfinale des Heim-Europameisterschafts (21.00 Uhr/ZDF, MagentaTV und natürlich im ntv.de-Live Ticker). Die DFB-Mannschaft könnte in den ersten Viertelfinal seit acht Jahren, seit der EM 2016 Halbfinale, gelangen. Ab jetzt beginnt eine neue Phase - jedes Sekund kann entscheidend sein. Doch vor allem ist es ein besonderes Spiel für einen: Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Für den 36-Jährigen ist es die zwölfte internationale Begegnung seit dem Herbst. Seit seiner Amtsübernahme im Herbst hat er eine bemerkenswertes Wandel durchgemacht. Das Amt des Bundestrainers ist anders als das eines Klubtrainers. Nagelsmann musste lernen. Nicht nur die Arbeit mit den Spielern ist anders, sondern auch die Aufmerksamkeit.

Keine Experimente mehr

Überraschend ist das sportliche Aspekt nichts. Die DFB-Mannschaft hat in den letzten Jahren nicht allzu viel für die Glaubhafte geleistet. Zweimal scheiterte sie in den WM-Gruppenspielen, das Jahr 2023 der Nationalmannschaft endete mit mehr Niederlagen als Siegen. Die Spiele waren selten ansprechend, die DFB-Mannschaft war nie konsequent. Nagelsmann begann seine Amtszeit als Bundestrainer unsicher, aber dann versuchte er am Jahreswechsel ein Comeback.

Es war die letzte Chance, das Heim-EM zu retten. Und es gelang: Nagelsmann gab der unruhigen DFB-Mannschaft eine berechenbare Umgebung. Er handelt nun entsprechend: Experimente und Überraschungen sind dem Team die letzten Dinge, die es braucht. Das Rollensystem, das er einführte, spiegelt das wider. Zusammen mit dem Rückkehr des Mittelfeldstrategen Toni Kroos hat er auch die Lasten seiner Vorgänger Hansi Flick und Joachim Löw abgelegt.

Eine klare Hierarchie und, noch wichtiger, das Leistungsideal kehrten zurück: Die DFB-Spieler haben Richtlinien, an die sie sich orientieren können. Die Formationen wechseln seltener, manchmal sind die Auswechslungen schon vor dem Anpfiff klar. Wenn der junge Aleksandar Pavlović krank vor dem Turnierstart war und zurücktreten musste, nominierte er stattdessen Emre Can. Es war die pragmatischste Lösung, den zweibeinigen Spieler auszuwählen, der in den letzten Jahren in der Champions League-Endspiele gestanden hat.

Es stellt sich heraus, dass Nagelsmann der Verantwortliche für Pragmatismus ist, was ein gewisses Eisernes im Ironischen hat. denn er war einmal ein andersartiger Trainer. Jemand, der seine Spieler manchmal überlastete mit taktischen Anweisungen. Jemand, der an seinen Ausbildungsstätten an den Rändern große Bildschirme aufstellte, um seine Pros direkt zu zeigen.

Während seiner Amtszeit mit der Nationalmannschaft war der alte Nagelsmann nicht ganz verschwunden. Anfangs scheint es, als ob das tägliche Arbeiten mit den Spielern an ihm fehlte. Die Verlängerung seines Vertrags war immer eine Möglichkeit, dass er sofort nach dem Heim-EM wieder in den Club zurückkehrt. Aber nach den Märzlanderspielen hat er seine Aussage zur Weltmeisterschaft 2026 gemacht.

Viel Phantasie

Der alte Version des Trainers kommt gelegentlich noch durch. Dann wird der neue Julian Nagelsmann darüber gefragt. Vor dem zweiten EM-Gruppenspiel gegen Ungarn war es um die Erwartungen des Nationaltrainers an seine Außenverteidiger gegangen. Das Spiel fand in Stuttgart, der neuen Heimat des DFB-Linksbacks Maximilian Mittelstadt, statt.

Nagelsmann holte ihn heraus, sprach über statistische Erwartungen aus seinen Clubjahren (sechs bis sieben Tore pro Saison). Dann erklärte er, wie die taktischen Systeme der gegnerischen Teams verändert hatten. (Vorsicht, es wird recht detailliert: Die meisten Teams versuchen, ihre Gegner auswärts zu drängen, den Weg zum Tor so lang wie möglich zu machen. Das Mittel ist dann mit Spielern gefüllt, die die Außenverteidiger wichtig machen.)

Am Ende sprach er noch über einen weiteren Punkt. Die wenigsten sagen in der Klubs, "Ich will Außenverteidiger sein, egal was." Es nehmen Phantasie, Nagelsmann sagte, ein Außenverteidiger zu setzen. Und das war es: Die gleiche Phantasie, die ihn als Trainer auszeichnete. Schließlich brachte er im dritten DFB-Erscheinung gegen die Türkei den Mittelfeldspieler Kai Havertz auf die Linksverteidigerposition. Obwohl er es schaffte, ging es schrecklich wrong.

Eine "wunderbare Rede" [

(Note: The last paragraph seems incomplete and lacks context, so I cannot translate it accurately without additional information.)

Von diesen Versuchen hat er sich (bisher) abgesetzt. Jüngst waren die meisten seiner Züge sicher. Lediglich die Änderungen im Spiel gegen die Schweiz lösten Fragen aus: Warum kam Füllkrug so spät ein? War plötzlich das Doppel-Sechser Ilkay Gündogan und Kroos auf dem Feld? War Maximilian Beier überhaupt eingesetzt? Das Spiel zeigte: Die neue Stärke, die Vorhersagbarkeit, kann Risiko sein: Die Schweiz war auf die DFB-Auswahl gut vorbereitet. Irgendwann benötigen Sie Überraschungen, dann fragt sich: Wie viele Versuche kann dieses DFB-Team vertragen? In den ersten Gruppenspielen war es noch zu brüchig für das.

Andernfalls gibt Nagelsmann den Eindruck, dass er weiß, was auf diese (neue) DFB-Mannschaft wartet. Heimische Europameisterschaft! Das kommt nur einer Spielergeneration mit Glück in der Regel vor. Und obwohl sie die älteste Mannschaft im Turnier sind, haben viele von ihnen noch keine K.-o.-Spiel erlebt. Dazu kommt die von außen kommende Belastung: Es muss die große Sommer-Märchengeschichte sein, ein lautes Fußballfest, der besten Fall, der die Kontinent vereint. Auf der Rechnung steht jedoch ein DFB-Team, das sich möglichst hoch in das Turnierbaum klettert.

Etwas gelang es Nagelsmann in der Woche darauf. DFB-Sportdirektor Rudi Völler saß im großen Pressezimmer vor den Journalisten und Journalistinnen vor dem EURO-Viertelfinale. Er sprach über das, wie der Nationaltrainer das gelungen hat. Völler zitierte aus einem "wunderschönen Rede" des Nationaltrainers, der vor dem Turnierbeginn gehalten hatte. Der Nationaltrainer übermittelte, dass es ein Privileg war, diesen Druck zu spüren. Bis jetzt hat es funktioniert. Im Stadion ergab sich kaum ein Gefühl, dass die Mannschaft irgendeinem Art und Weise nervös war.

Aber der Nationaltrainer war anders in diesem Punkte. Und auch hier änderte er sich. Abends vor dem ersten Gruppenspiel gegen Schottland hielt Nagelsmann seine erste Pressekonferenz auf großem Turnier. Die Nervosität in der Münchner Arena spürbar, die Tastaturen klatschten, die Journalistinnen und Journalisten mutmaßten. Nagelsmann fühlte es: die Nervosität in sich und in der Umgebung. Er sprach von ihr und forderte alle, die in diesem Raum saßen, auf etwas Ruhe zu kommen. Es war, als ob er sich auch selbst unterhielt. Und siehe da: Danach lief es besser. Die Frage- und Antwort-Runde wurde ruhiger, seine Worte klangen weniger gezwungen.

Jetzt ist es schon viel routinemäßiger. Man weiß im Allgemeinen, was man von der deutschen Fußballnationalmannschaft erwarten kann. Nagelsmann beantwortet die Fragen sicherer, ist weniger nervös - und sagt es selbst. "Ich bin noch sehr ruhig, weil das Trainerteam und die Mannschaft gut gearbeitet haben," sagte er den Abend vor dem Achtelfinale auf die Nervosität. "Wir sind extrem gut auf alles vorbereitet." Es knistert noch im Hintergrund, der Pressezimmer ist mindestens so voll wie in München. Aber er hat nichts darüber gesagt.

In der kommenden Achtelfinalbegegnung gegen Dänemark hat die deutsche Fußballnationalmannschaft die Chance, den ersten Viertelfinaleinzug seit 2016 zu erreichen. Dies ist ein bedeutender Herausforderung für Julian Nagelsmann, der seit über einem Jahr Bundestrainer ist und einen bemerkenswerten Wandel in seiner Rolle vornimmt.

Seit seiner Ernennung hat Nagelsmann sich von Versuchen und Überraschungen abgewandt und auf eine berechnetere Anstrategie gesetzt. Dieser Wandel in der Strategie war Schlüssel, um die deutsche Fußballnationalmannschaft in den Knockout-Spiel-Stadium des Europameisterschafts 2024 zu bringen. Obwohl er früher als Trainer für eine Überlastung seiner Spieler mit taktischen Anweisungen bekannt war, hat Nagelsmann als Bundestrainer ein neues Maß an Pragmatismus gezeigt.

Damals noch im Baumfäller-Trikot und mit Leon Goretzka: Julian Nagelsmann gab gegen die USA sein Debüt als Nationaltrainer.

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