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Kein Ende in Sicht – Volkswagen Diesel-Handwerk bleibt hart im Nehmen

VW-Dieselprozess
Aufgeflogen war der Skandal 2015, als die US-Umweltbehörde EPA über Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos informierte.

Auffallen geht auch anders: Zu Beginn des großen Betrugsprozesses rund um die Volkswagen-Dieselaffäre scherzten Beobachter über die eher langweilige Farbgebung des Braunschweiger Rathauses „Braun auf Braun“.

Aus Platzgründen wurde das Amtsgericht in ein renovierungsbedürftiges Gebäude verlegt. Das Interesse an „Dieselgate“ und den angeblichen Protagonisten des Volkswagen-Konzerns ist groß. Zwei Jahre später scheinen sich nüchterne Atmosphäre und Routine aneinander angepasst zu haben.

Aufarbeitung eines der größten deutschen Wirtschaftsskandale

Am 16. September 2021 sind die Stände – was die Corona-Beschränkungen betrifft – in voller Kapazität geöffnet. Vor der Tür versammelten sich Fernsehteams aus vielen Ländern. Die Erwartungen an eine strafrechtliche Untersuchung eines der größten deutschen Wirtschaftsskandale waren hoch, doch sie erlitten den ersten großen Rückschlag. Der Prozess begann ohne den ehemaligen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, da die eigentliche Schlüsselfigur fehlte.

Anfänglich waren nur vier ehemalige Führungskräfte des Wolfsburger Automobilherstellers in Gesprächen. Staatsanwälte werfen Ingenieuren und Managern vor, maßgeblich an der Entwicklung und Nutzung von Software beteiligt zu sein, die Millionen von Autos steuert. Ihnen drohen weiterhin bis zu zehn Jahre Gefängnis wegen Geschäfts- und Bandenbetrugs.

Der Skandal kam im September 2015 ans Licht, als die US-Umweltschutzbehörde (EPA) Manipulationen bei Dieselfahrzeug-Emissionstests meldete. Der CEO trat zurück und eine beispiellose Industriekrise begann. Winterkorn bestritt später die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und behauptete, er habe von den illegalen Aktivitäten nichts gewusst, bis die Manipulationen ans Licht kamen.

Das Verfahren gegen den 76-jährigen Winterkorn wurde einem medizinischen Gutachten zufolge abgetrennt. Verteidiger und Staatsanwälte anderer Angeklagter äußerten damals scharfe Kritik. Das öffentliche Interesse an Winterkorns Abwesenheitsprozess ließ schnell nach.

Nach Angaben eines Gerichtssprechers wird derzeit erneut geprüft, ob Winterkorn vor Gericht stehen kann. Ob und wann der ehemalige VW-Chef vor Gericht steht, bleibt völlig offen.

Im ersten Strafurteil im deutschen Dieselskandal hat das Landgericht München den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler und zwei Mitangeklagte wegen Betrugs zu langjährigen Bewährungsstrafen verurteilt. Dies ist jedoch nicht rechtsverbindlich und es wurde Berufung eingelegt.

Unstimmigkeiten und Verzögerungen im Prozess

Volkswagen selbst bekräftigte dieser Tage auf Nachfrage, dass die Gruppe für Deutschland vollständig sei. Die Kosten der „Folgen der Dieselproblematik“ schätzte der Autobauer weiter auf rund 32 Milliarden Euro. Am Schnuppermarathon im Braunschweiger Rathaus nahm Volkswagen jedoch nicht teil.

Mehr als 85 Verhandlungstage sind abgeschlossen und es ist schwierig, zum aktuellen Stand zu gelangen. Auch der Elternurlaub hat den Prozess verlangsamt, nachdem er durch die Coronavirus-Pandemie zunächst verzögert worden war. Ein großer Teil der als relevant erachteten Zeugen machte von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.

Andere Verhöre ergaben wenig. Einige der Richter schienen wütend zu sein und der Lärm im Raum wurde lauter. So machte der Vorsitzende Richter Christian Schütz bei einer Untersuchung im April deutlich, dass er mit den Aussagen nicht einverstanden sei und eine Untersuchung uneidesstattlicher Falschaussagen für notwendig halte. Der Prozess ist weiterhin von Schuldzuweisungen, Erinnerungslücken und teils heftigen Auseinandersetzungen geprägt.

Wer in diesen Tagen ins Braunschweiger Rathaus kommt, wird einen Prozess erleben, der alles andere als spektakulär ist. Der Richter saß auf der Bühne und die Angeklagten, ihre Verteidiger und Staatsanwälte waren im Saal verteilt. Nur wenige Beobachter betraten die Tribüne. Seien Sie Zeuge, die Show ist vorbei. Zumindest das Verfahren schreitet voran.

Weitere Termine bis 2024

Doch eine Aufklärung für die zahlreichen weiteren Angeklagten im Zentrum der Braunschweiger Ermittlungen scheint in weiter Ferne zu liegen. Nach Bekanntwerden des Skandals ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen 96 Angeklagte, wie ein Sprecher auf Anfrage sagte. Ihm zufolge wurden 29 von ihnen in insgesamt vier Verfahren vor dem Landgericht angeklagt. Die Fälle der anderen 19 Angeklagten werden jedoch noch von der Staatsanwaltschaft geprüft.

Andererseits wurde bisher die Hälfte der Angeklagten im Diesel-Vorfall aufgeklärt. 48 sind vorübergehend suspendiert. Davon wurden 43 abgeschlossen, da die Anforderungen erfüllt waren. Zur Höhe des Bußgeldes wollte die Staatsanwaltschaft allerdings keine genauen Angaben machen.

Klar ist derzeit nur, dass weitere Termine bis August 2024 geplant sind. Betrugsprozess im Zusammenhang mit der Volkswagen-Dieselaffäre. Ein Ende der Situation der vier Angeklagten ist in naher Zukunft nicht in Sicht. Irgendwann kann es aus einem anderen Grund spannend werden. Die Renovierung des Rathauses soll Ende 2024 beginnen.

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