Es ist nur ein Klick – eine spezielle Software erstellt aus der Unmenge an persönlichen Informationen ein Profil des Verdächtigen. Vor dem Bundesverfassungsgericht sind bereits mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das sogenannte Data-Mining anhängig. Heute wird der Erste Senat in Karlsruhe zwei von ihnen anhören.
Dies wurde von der Freedom Rights Society (GFF) ins Leben gerufen, um mögliche Grundrechtsverletzungen vor Gericht zu bringen. Prozesskoordinatorin Sarah Lincoln verglich die automatisierte Datenanalyse mit „dem superschlauen Google der Polizei“. Die Software durchkämmt riesige Datenbanken, um neue Ermittlungsmethoden und Verdachtsmomente zu generieren.
Zunächst einmal handelt es sich um Daten aus der Datenbank der Polizei. Diese betreffen laut GFF auch Opfer und Zeugen. Die Organisation sieht die Gefahr, dass eventuell auch Daten von Behörden oder öffentlich zugängliche Informationen, etwa aus sozialen Netzwerken, in die Analyse einfließen. Auf diese Weise könnten unschuldige Menschen ins Visier genommen werden. Die gleiche Adresse oder der gleiche Fußballverein kann der Software genügen, um Verbindungslinien zu ziehen. Wie das genau funktioniert und wie die erstellten Profile aussehen, wissen die Kläger allerdings nicht.
Kritiker wollen strengere Auflagen
Verfassungsbeschwerden zielen nicht unbedingt darauf ab, automatisierte Datenanalysegenehmigungen grundsätzlich zu verbieten. GFF erwartet jedoch, dass die Richter strenge Richtlinien für deren Verwendung festlegen. Es muss mindestens eine konkrete Gefährdung eines übergeordneten Rechtsgutes vorliegen. In Karlsruhe geht es darum, mit der Software Straftaten zu verhindern – noch bevor etwas passiert.
Die Polizei sollte mit neuen Tools schneller und effektiver sein. Früher mussten Daten oft zeitaufwändig einzeln abgefragt und manuell miteinander verglichen werden.
Das System wird bereits in Hessen («Hessendata») und Nordrhein-Westfalen («DAR») eingesetzt, jeweils in Kooperation mit dem amerikanischen Unternehmen Palantir aus Gotham. In Bayern wird derzeit eine ähnliche Plattform („Procedural Research and Analysis System“, VeRA) eingeführt, die in einem nächsten Schritt auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene übernommen werden kann.
Die beiden jetzt zu prüfenden Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das Hessische Gesetz und einen ähnlichen Passus in Hamburg, die bisher nur gesetzlich begründet sind. Als Kläger traten Journalisten, Anwälte und Aktivisten auf. Eine dritte Beschwerde über NRW-Software, die von GFF im Oktober eingereicht wurde, war nicht Gegenstand einer eintägigen Anhörung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Urteile frühestens innerhalb weniger Monate gesprochen werden können.