Die Stadt Hanau schlägt Alarm wegen fehlender Plätze für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen. In einem offenen Brief an den hessischen Sozialminister Kai Klose und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (beide Grüne) baten Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Bürgermeister Maximilian Bieri (beide SPD) um schnelle Hilfe. «Wir finden für immer mehr Kinder und Jugendliche in Not keine kurz- oder längerfristigen Unterbringungsmöglichkeiten mehr», heißt es in dem Schreiben, das die Stadt am Dienstag veröffentlichte.
Die sogenannten Inobhutnahme-Stellen für Kinder und Jugendliche, die vorläufig nicht in ihren Familien bleiben können, seien buchstäblich bis unters Dach belegt, oder es fehle Personal. Dies gelte auch für Heime. Im Fall eines 16-Jährigen mit geistiger und seelischer Beeinträchtigung suche die Stadt seit Dezember 2022 nach einem geeigneten Wohnplatz. Der Jugendliche werde in angespannten Situationen schnell aggressiv und habe bereits seine alleinerziehende Mutter, seinen Bruder und andere Personen körperlich angegriffen.
Die Mutter sei am Ende ihrer Kräfte und könne die Betreuung nicht mehr übernehmen. Anfragen bei etwa 70 Heimeinrichtungen seien bisher erfolglos geblieben. Die Stadt habe den 16-Jährigen vor wenigen Tagen in Obhut nehmen müssen, nachdem er aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie entlassen worden sei und nicht nach Hause habe zurückkehren können. Inobhutnahme-Stellen in ganz Deutschland seien angefragt worden, von denen aber keine den Jugendlichen aufgenommen habe.
Dieser sei nun in einem Hotel untergebracht und werde 24 Stunden am Tag von einem Sicherheitsdienst betreut, mehrmals täglich kontaktierten ihn sozialpädagogische Fachkräfte des Jugendamtes. «Dieses Vorgehen entspricht in keiner Weise unserem fachlichen Standard und erfüllt uns mit größer Unzufriedenheit», heißt es in dem offenen Brief.
Jugendämter können Jugendliche und Kinder kurzfristig in Obhut nehmen, wenn sie deren Wohl als gefährdet ansehen – etwa wegen Vernachlässigung, Misshandlung oder auch Überforderung der Eltern. 2022 wurden in Hessen nach Zahlen des Statistischen Landesamts in 6500 Fällen Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche nötig, zu denen auch Inobhutnahmen gehören.