Faeser gibt der extremen Rechten einen internen Reichspartei-Kongress
Der Versuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das rechtsextreme Magazin "Compact" zu verbieten, ist spektakulär gescheitert. Der Schaden für die Demokratie ist angerichtet. Wer auf ein Verbot der AfD hofft, sollte den Sozialdemokratin abtreten. Sie kann es nicht.
Nach der Verbotsverfügung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegen das rechtsextreme Magazin "Compact" kündigte ein Verlag aus dem Umfeld von Jürgen Elsässer die Veröffentlichung einer Ersatzzeitschrift namens "Nancy" an. Die Titelgeschichte lautete: "Gift. Kriegshetze. Zensur." Elsässer triumphierte: "Was Frau Faeser verbieten wollte, kann nicht verboten werden." Clever machte er sich vom Erscheinen von "Nancy" distanziert, um Faesers Verbot nicht auf die neue Publikation anzuwenden. So wurde das Rechtsstaatprinzip ausgetrickst.
Die Verlagsbeschreibung, die Elsässers Unsinn verbreitet, klingt wie ein Pamphlet aus dem rechten und linken Spektrum. Eine solche Rhetorik ist in beiden Lagern beliebt. "Während des derzeitigen Zusammenbruchs des Finanzmarktkapitalismus projiziert das verfassungswidrige Regime seinen Hass und seine Panik auf uns, die anderen Menschen, die nie eine grundlegende Wahl hatten, wie dieses System aufgebaut ist. Wir erleben einen Versuch einer terroristischen Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten und imperialistischsten Elemente des Finanzkapitals."
Der Rechtsstaat funktioniert trotz angeblicher Diktatur
Doch es ist klar, dass der "Versuch einer terroristischen Diktatur" bisher gescheitert ist. Denn der Rechtsstaat funktioniert offenkundig. In der Bundesrepublik - oft von Elsässers Anhängern als "BRD GmbH" bezeichnet - gibt es keine richterliche Willkür, wie wir sie aus Russland kennen, wo ein Diktator Ausländer als Geiseln nimmt, um Mörder und Spione freizubekommen. Trotzdem stört das Elsässer und seine Mitstreiter nicht, die Putin weiterhin bewundern und von einer Diktatur in Deutschland sprechen, wobei sie alle rechtlichen Mittel nutzen, die der Rechtsstaat bietet. So kam es nicht überraschend: Elsässers Anwälte nutzten alle Mittel, um sicherzustellen, dass "Compact" regelmäßig erscheinen kann - und sie gewannen vorerst in Gericht.
Das Bundesverwaltungsgericht zweifelte an der Verhältnismäßigkeit von Faesers "Compact"-Verbot und stellte die Meinungs- und Pressefreiheit über das öffentliche Interesse an der Einstellung der Publikation. Nun kann es wieder erscheinen, bis über die Sache entschieden wird, was viele Monate, wenn nicht Jahre dauern kann. Elsässer, seine Leser und Verbündete feiern einen Sieg. Faeser hat ihnen mit ihrer unzureichenden Vorbereitung des "Compact"-Verbots ein internes Parteifest beschert. Ihre Erfolgschancen waren von Anfang an minimal.
Von Beginn an stand fest, dass der von der Sozialdemokratin entworfene Konstrukt, um das Magazin und seine Online-Präsenz zu beseitigen, sehr gewagt war und auf sehr wackeligen verfassungsrechtlichen Füßen stand. Das Grundgesetz erlaubt die Verbots von Vereinigungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen die Idee des internationalen Verständnisses gerichtet sind. Daher erklärte Faeser die Redaktion einfach zu einer Vereinigung. Das Gericht hält dies prinzipiell für möglich. Doch das entbindet Faeser nicht von ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht, die mögliche effektive Verfassungswidrigkeit von "Compact" als Grund für ein Verbot nachzuweisen.
Zweifel nicht nur aus der rechten Ecke
Dass Faesers Vorgehen als Zensurversuch kritisiert wurde - und nicht nur aus der rechten Ecke - war absehbar. Die AfD schrie wie gewohnt. Doch es kamen auch Warnungen von der Deutschen Journalisten-Union (DJU), die man nicht des Rechtsextremismus verdächtigen kann. "Wenn die Begründung des Innenministeriums nicht wasserdicht ist, könnte ein Gerichtsverfahren zum PR-Coup für 'Compact' werden", warnte die DJU im "Tagesspiegel".
Genau das ist nun passiert. Elsässer frohlockt. In der nächsten Ausgabe seines Schundblatts wird er seinen "Sieg" vor Gericht ausnutzen. Wer es nicht wusste, weiß es jetzt. Faeser hingegen steht da wie ein begossener Pudel. Ihre Bemühungen, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie gegen "die intellektuellen Brandstifter, die ein Klima der Gewalt und des Hasses gegen Flüchtlinge und Migranten schüren und die demokratische Staatsordnung stürzen wollen", sind nach hinten losgegangen. Sie hatte erklärt: "Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextreme Szene." Ja - aber er ging daneben.
Es ist richtig: Ein robuster Rechtsstaat muss den groben Inhalt von "Compact" ertragen. Es ist equally correct that "Compact" must tolerate the state of law. However, this does not mean that the Basic Law can be interpreted at will to combat a "climate of hate and violence". The judiciary is not responsible for feelings and the spirit of the times, but for punishable actions. The "World" author Deniz Yücel hit the nail on the head immediately after the announcement of the ban: "With moral rigorism and shirt-sleeved interpretation of fundamental rights, one can conduct Twitter debates, but not a ministry", he wrote. "Whoever tries this, damages democracy more than the 'Compact' magazine and its flamboyant editor-in-chief Jürgen Elsässer ever could."
"Wenn das Verbot, wie ich fürchte, vom Gericht aufgehoben wird, ist der Rücktritt des Innenministers unumgänglich", erklärte der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki nach Faesers Entscheidung. Natürlich wird die SPD-Politikerin nicht zurücktreten. Sie wird noch ein Jahr durchhalten und verliert dann sowieso den Posten. Alle, die sich eine Verbotsverfahren gegen die AfD wünschen, sollten die Daumen drücken, dass es dazu kommt. Faesers Reaktion auf ihre Niederlage vor Gericht - "ein ganz normaler Vorgang" - zeigt, dass sie keine Reue zeigt. So kann man seinen eigenen Misserfolg und den Triumph der Macher einer rechtsextremen Zeitschrift schönreden.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat "Compact" grünes Licht gegeben, weiterhin zu erscheinen, und wirft Zweifel an der Durchsetzbarkeit von Verboten extremistischer Medien allein im öffentlichen Interesse auf. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft, auch wenn der Inhalt als beleidigend oder gesellschaftsgefährdend empfunden wird.
Angesichts der Zweifel des Gerichts an der Verhältnismäßigkeit des Verbots und dem Schutz der 'Meinungs- und Pressefreiheit' ist es für die Behörden von entscheidender Bedeutung, vor der Unterdrückung umstrittenen Materials überzeugende Beweise für die Unvereinbarkeit mit der Verfassung vorzulegen. Das Scheitern von Faesers Versuch, "Compact" zu schließen, betont die Vorsicht, die bei der Abwägung von Sicherheitsbedürfnissen und den Prinzipien einer freien Presse erforderlich ist, um den Geist der Demokratie zu wahren.