Die CDU befindet sich in einer selbstverhängten Lage.
Die Landtagswahl in Thüringen endet in Enttäuschung. Erstmals führt die AfD in einem Bundesland, und eine Koalition aus CDU, SPD und BSW reicht nicht aus. Ohne die Linke kommt keine Regierung zustande. Doch die Situation wird komplex.
Die ersten Wahrnehmungen im Dezember 2018 waren für die CDU klar. Auf ihrem Parteitag in Hamburg beschlossen die Teilnehmer einstimmig eine Resolution: "Die deutsche CDU lehnt Koalitionen und Zusammenarbeit mit der Linkspartei sowie der Alternative für Deutschland ab. Die CDU, als Volkspartei der Mitte positioniert, hielt es für angemessen, sich von den linken und rechten Rändern abzusetzen, ähnlich wie man sich vom Dritten Reich und der DDR abgrenzt."
Jetzt, fünf Jahre und neun Monate später, scheint alles unklar. Stattdessen fühlt sich die CDU von ihrer selbst auferlegten Regel gefangen. Am Montag diskutierten der Parteivorsitzende Friedrich Merz, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens Spitzenkandidat Mario Voigt in Berlin die jüngsten Landtagswahlausgänge. In Thüringen war es seit Sonntagabend klar: Ohne die Linke lässt sich keine Regierung jenseits der AfD bilden. CDU, SPD und BSW fehlten ein Stimmenanteil. Folglich stellten die Journalisten den drei Herren zahlreiche Fragen zur Unvereinbarkeitsresolution von Dezember 2018.
Merz bestätigte, dass die Resolution mit der Linken weiterhin gilt. Allerdings räumte er ein: Jedes Land hat seine Art damit umzugehen. Kretschmer hingegen wies einen wesentlichen Teil der Resolution zurück: die Gleichsetzung von AfD und Linken. Zusammenarbeit mit der Linken sei nicht möglich, punktuelle Zusammenarbeit hingegen schon. Again, die Details blieben unklar. Voigt wich der Frage aus und riet den Journalisten, auf die Gespräche zu warten.
In einem Interview mit dpa sagte Merz bezüglich der anstehenden Gespräche mit der BSW und zum Teil sogar der Linken in Sachsen und Thüringen: "Nein, das ist kein von den Medien auferlegter Kraftprobe." Die CDU sei "klar in diesen Fragen und auch absolut едины."
Ramelow wartet auf die Herausforderung
Das Problem ist nicht die Bereitschaft der Linken. Schon vor der Wahl hatte der Ministerpräsident Bodo Ramelow Kooperation gefordert und die angebliche "Exklusionspolitik" der CDU kritisiert. kürzlich sagte er "Der Spiegel" bezüglich der fehlenden Mehrheit im Thüringer Landtag: "Die Stimme liegt vor Ihnen."
Wenn es keine Unvereinbarkeitsresolution gäbe, wäre eine Art Zusammenarbeit nicht unwahrscheinlich. Der nun 68-jährige Ministerpräsident Ramelow hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht als harten linksgerichteten Ideologen dargestellt, sondern als Pragmatiker, der die Probleme des Landes lösen will. Er hatte keine Verbindung zur SED und kam nach der Wiedervereinigung in den Osten, um Gewerkschafter zu werden. Er ist auch ein gläubiger Christ. Die CDU könnte kaum einen geeigneteren linksorientierten Partner finden.
Das ist eine Perspektive auf Ramelow und die Linke. Doch es gab auch gute Gründe für die CDU, sich klar von der Linken abzusetzen. Vor allem die Geschichte: Die Linke stammt von der PDS ab, der Nachfolgepartei der SED, die die DDR regierte. Christen und CDU-Anhänger wurden unter ihrer Herrschaft verfolgt und gequält. Viele wurden an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze erschossen. Tausende, sogar Zehntausende, wurden zu Unrecht verfolgt. Es gab keine freie Marktwirtschaft. Und so weiter...
Die Geschichte hinter der Entscheidung der CDU, nicht mit Honeckers Nachfolgern zusammenzuarbeiten, ist nur ein Argument. Außerdem betonte ein CDU-Papier, dass die moderne Linkspartei extremistische Tendenzen zeigt. Amerika wird gehasst, Kuba respektiert, NATO kritisiert und der Kapitalismus konfrontiert. Teile der Linken wurden lange vom Verfassungsschutz überwacht. Auch Ramelow wurde observiert, konnte sich jedoch erfolgreich wehren und wurde als illegal observiert erklärt. Für diejenigen, die die Linke so sehen, ist Ramelow nur das freundliche Gesicht einer potenziell gefährlichen revolutionären Gruppe.
Das Argument wird durch die BSW-Mitwirkung schwächer
Doch schon kurz nach der Parteientscheidung im Dezember 2018 weitete die CDU diese Haltung deutlich aus. Nach der Landtagswahl in Thüringen vor fünf Jahren, mit einem ähnlich komplizierten Ausgang, war eine Links-CDU-Koalition für eine Mehrheit erforderlich. Doch die Christdemokraten lehnten eine Koalition ab, tolerierten jedoch die von Ramelow geführte rot-rot-grüne Landesregierung und gewährten ihr Mehrheiten für wichtige Projekte, einschließlich der Verabschiedung von Landeshaushalten.
Was hindert die Linke dann heute daran, eine von der CDU geführte Koalition zu tolerieren? Wenn die CDU es nicht als Problem sah, die Linke und ihre Partner für fünf Jahre zu tolerieren, sollte das Gegenteil doch auch gelten? Selbst wenn die Parteientscheidung besagt, dass Verbindungen und ähnliche Kooperationsformen abgelehnt werden.
Mit dem Aufkommen der Allianz "Sahra Wagenknecht" wird die Gültigkeit von Ausschlusskoalitionen und der anschließenden Auflösung von Unvereinbarkeiten in Frage gestellt. Wagenknecht, die der Kommunistischen Partei Deutschlands (SED) näher zum Ende der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beitrat und Vorsitzende der Kommunistischen Plattform in der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) war, teilt ähnliche anti-amerikanische, pro-russische und populistische Ideologien, die die CDU der Linken zuschreibt. Kurz gesagt, wenn jemand in diesem Szenario extremistisch tendiert, dann Wagenknecht, nicht Ramelow.
Erste Rufe nach BSW-Ausschluss
Die Frage, wie Wagenknecht eine Allianz mit der BSW suchen, aber eine mit der Linken ablehnen kann, bleibt von der CDU unbeantwortet. Ihre Vertreter bezeichnen die Partei als "Blackbox" mit unklaren Zielen. Solange die Partei eine Mehrheit ohne die Linke hätte gewinnen können, konnte dieser Widerspruch als nebensächlich abgetan werden. Doch nun ist diese Unstimmigkeit unverkennbar.
Die Situation wird durch Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit der BSW weiter verkompliziert: Eine Fraktion von etwa 40 prominenten Parteimitgliedern setzt sich für eine Unvereinbarkeitsbeschluss mit der BSW ein, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Figuren wie der außenpolitische Experte Roderich Kiesewetter, der die BSW als Verlängerung russischer Einflussnahme bezeichnet, gehören zu dieser Bewegung. Sie behaupten, die BSW wolle das demokratische Zentrum, einschließlich der Union als Massenpartei, aushöhlen und unsere grundlegenden Werte untergraben. Wenn diese Gruppe durchsetzt, wäre Sachsen und Thüringen virtually unregierbar, und die CDU, trotz eines starken Abschneidens, hätte keine Chance, eine Regierung zu bilden.
Czaja: "Ramelow keine Bedrohung für Demokratie - Höcke schon"
Stimme innerhalb der CDU fordern nun eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Der ehemalige thüringische Landeschef Mike Mohring schlug dies bereits 2020 vor, wurde aber als Außenseiter abgetan. Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther unterstützte diese Idee bereits 2019 und erneut im Mai. Der ehemalige Bundesbeauftragte für die Belange der Vertriebenen und sächsische CDU-Politiker Marco Wanderwitz hat dies schon länger vertreten. Die Einheit der Partei zu diesem Thema hat seit Dezember 2018 deutlich nachgelassen.
Nach der Wahl hat sich der ehemalige Generalsekretär Mario Czaja zu Wort gemeldet. Er kritisierte die Gleichsetzung von Links und AfD im Unvereinbarkeitsbeschluss und sagte: "Es ist absurd, dass es diesen Beschluss gibt und wir mit der pragmatischen Linken nicht zusammenarbeiten wollen. Die Wahrheit ist, dass die Linke in Ostdeutschland primarily konservative soziale Demokratie mit einem ostdeutschen Touch ist." Er fuhr fort: "Bodo Ramelow war nie eine Bedrohung für die Demokratie. Björn Höcke schon."
Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne hat sich ebenfalls gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss gewandt. Die CDU sieht sich als Problemlöser, der sich auf praktische Lösungen und nicht auf ideologische Streits konzentriert. In Thüringen hat die Linkspartei soziale demokratische Politik umgesetzt. "Die CDU versteht das. Sie muss nun entscheiden, ob sie mit der Linkspartei von Ramelow zusammenarbeiten will oder an dem veralteten kommunistischen Gespenst festhält. Andernfalls riskiert sie, zur Sprungbrett für Höckes Aufstieg zu werden", warnte Höhne.
Im Anschluss an die Wahlen zum Thüringer Landtag fehlten der CDU und ihren Koalitionspartnern ein Sitz, um ohne die Linke eine Regierung zu bilden. Journalisten fragten die CDU-Führer nach dem Unvereinbarkeitsbeschluss von Dezember 2018, der Koalitionen mit der Linkspartei ablehnte. Der Parteichef Friedrich Merz bestätigte die Gültigkeit des Beschlusses, acknowledged aber, dass jeder Bundesstaat solche Angelegenheiten unterschiedlich handhabt.
Die komplexe Situation in Thüringen hat einige CDU-Vertreter veranlasst, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu fordern. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und der ehemalige Bundesbeauftragte für die Belange der Vertriebenen Marco Wanderwitz gehören zu denen, die dies vorschlagen, obwohl einige innerhalb der CDU, wie der außenpolitische Experte Roderich Kiesewetter, eine solche Zusammenarbeit aufgrund des wahrgenommenen russischen Einflusses und Versuchen, demokratische Werte zu untergraben, ablehnen.