- Die Behörden auf Bundesebene übernehmen die Kontrolle über die Untersuchung in Solingen.
Nach dem tragischen Messerangriff in Solingen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen und untersucht den Verdächtigen wegen Mordes und einer mutmaßlichen Zugehörigkeit zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Das teilte eine Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe der Deutschen Presse-Agentur mit.
Laut Polizei hat sich ein 26-Jähriger am Samstagabend den Ermittlungsbehörden gestellt und gestanden. Die Beteiligung dieses Individuums wird gründlich untersucht. Wie die Düsseldorfer Polizei am Sonntagmorgen mitteilte, handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 26-jährigen Syrer. Bei seiner Festnahme trug er blutbefleckte Kleidung. Der Tatort in der Innenstadt war am Sonntagmorgen noch abgesperrt. Mehr als 300 Menschen nahmen an einer Gedenkveranstaltung teil.
Laut Spiegel kam der Verdächtige Ende 2022 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Zuvor war er von Sicherheitsbehörden nicht als islamistischer Extremist identifiziert worden.
Am Freitagabend attackierte ein Mann Passanten auf einem Fest zur 650-jährigen Jubiläumsfeier von Solingen, dem "Festival of Diversity", und flüchtete anschließend in der entstandenen Verwirrung. Dabei kamen zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56-jährige Frau ums Leben. Acht Menschen wurden verletzt, davon vier schwer. Der Islamische Staat hat die Verantwortung für den Angriff übernommen, doch Sicherheitsbehörden haben noch keine islamistische Motivation als Hauptursache bestätigt.
Laut Innenminister Herbert Reul (CDU) von Nordrhein-Westfalen gab es mehr als nur einen Verdacht gegen den Verdächtigen. "Wir haben nicht einfach nur einen Hinweis erhalten, sondern auch Beweise gefunden", sagte er am Samstagabend in der ARD-Tagesschau nach der Festnahme des Verdächtigen.
Der Islamische Staat hat über seinen Propagandakanal Amak bekanntgegeben, dass der Angreifer ein IS-Mitglied sei und die Attacke als "Rache für Muslime in Palästina und anderswo" ausgeführt habe. Das Angriffsziel sei eine "Gruppe von Christen" gewesen. Die Düsseldorfer Polizei erhielt ebenfalls eine angebliche IS-Verantwortungserklärung. Es müsse jedoch die Authentizität dieses Briefes überprüft werden, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Es wurde bereits beobachtet, dass der IS Verantwortung für Angriffe übernommen hat, ohne dass eine glaubwürdige Zusammenarbeit zwischen dem Angreifer und der Terrororganisation nachgewiesen werden konnte.
Vermutlich bezieht sich der IS auf den laufenden Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas als seine "Rache für Muslime in Palästina". Der IS und das Terrornetzwerk Al-Qaida unterhalten keine Allianzen mit der islamistischen Hamas. Sicherheitsbehörden bleiben jedoch besorgt über die Wahrscheinlichkeit von Terrorismus und Radikalisierung in der islamischen Welt aufgrund des langwierigen Gaza-Konflikts. Deutschland gilt neben den USA als einer der wichtigsten Verbündeten und Waffenlieferanten Israels.
Der leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers sagte bei einer Pressekonferenz in Wuppertal am Samstagnachmittag: "Wir haben bisher kein klares Motiv. Allerdings können wir aufgrund der Gesamtumstände eine terroristische Motivation nicht ausschließen."
Die Bundesanwaltschaft ist für islamistisch motivierte Terrorakte zuständig. Generalbundesanwalt Jens Rommel identifizierte diese Bedrohung als eine der Hauptsorgen für Deutschland in seinem Jahresbericht. Von den über 700 Ermittlungsverfahren im Bereich Terrorismus und Staatssicherheit im vergangenen Jahr betrafen etwa 500 den islamistischen Terrorismus. "Deutschland bleibt ein Ziel radikalisierter Islamisten", erklärte die Bundesanwaltschaft. Das Spektrum der Bedrohungen reicht von individuell radikalisierten Tätern bis zu organisierten Terrorzellen.
Am Samstagabend durchsuchten Polizei und Spezialeinheiten ein Flüchtlingsheim in Solingen. Eine Person, die mutmaßlich mit dem Täter in Verbindung steht, wurde festgenommen. Ersten Berichten zufolge handelt es sich um einen Zeugen.
Ein 15-jähriger Teenager wurde am frühen Samstagmorgen festgenommen. Es wird vermutet, dass er des unterlassenen Verdachts Verbrechen angeklagt werden könnte.
Der Vorfall in Solingen hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete ihn als "grausames Verbrechen". "Wir dürfen und sollten uns daran nicht gewöhnen. Wir müssen mit voller Gesetzeskraft vorgehen", sagte Scholz bei einem Ereignis in Brandenburg.
FDP-Minister kündigt Beratungen über Messerverbotsregelungen an
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Beratungen über Messerverbotsregelungen angekündigt. "Wir werden nun in der Bundesregierung beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art von Messerverbrechen weiter vorantreiben können", sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Bislang hat die FDP die Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für schärfere Verbote abgelehnt.
Die SPD fordert eine erhebliche Verschärfung der Messerverbotsgesetze. In der Öffentlichkeit sollten Messer mit einer Klingenlänge von weniger als sechs Zentimetern getragen werden, statt der aktuellen zwölf Zentimeter. Es sollte ein generelles Verbot für gefährliche Springmesser geben.
Der Verdächtige sagte bei der Vernehmung: "Was? Ich habe nichts falsch gemacht." Eine Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft klärte auf: "Er wird wegen Mordes und des Verdachts der Zugehörigkeit zu der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) untersucht."